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Thomas Zotz - Der Reichstag als Fest
Doch von den beiden im Rat bedachten Varianten
traf dann die zweite zu: Die Königin Bianca Maria
kam mit Herzog Georg dem Reichen von Bayern-
Landshut am 29. Mai nach Freiburg, während sich
für Maximilian der Einritt erst in der Zeit unmittelbar
nach dem Fronleichnamsfest (14. Juni) abzeichnete
. Dies war für ihn Anlaß, nach Freiburg
brieflich die Bitte zu übermitteln, die Prozession
um eine Woche zu verschieben, da er die Absicht
habe, daran teilzunehmen. Während Kirche und
Bürgerschaft hiervon offenbar rechtzeitig unterrichtet
wurden und dem Wunsch Maximilians nachkamen
, traf eine entsprechende Nachricht beim
Reichstag erst am Vorabend von Corpus Christi ein.
Für diese Verzögerung war, wie die Versammlung
mutmaßte, Georg von Bayern verantwortlich:84 Er
habe die Schrift verschaft (weggeschafft) der irrung
halben des gangs und Stands. Offenbar fürchtete der
Herzog, nicht seinen ihm gebührenden Platz in der
Prozession zu finden. Genau dieses Problem ergab
sich für ihn auch beim Einritt Maximilians in Freiburg
, dessen Ordnung - sie ist in einer Aufzeichnung
Konrad Peutingers, des Augsburger Stadtschreibers
und Hofakademikers Maximilians,85 erhalten
- vom König einige Zeit zuvor erstellt und
bekanntgemacht worden war: Da sich Georg in der
Ordnung am hereynreiten mit Sachsen nit vergleichen
mocht, so ist seine fürstliche gnaden dem allem
obgemelten zeuge mit seinem zeug nachgezogen
.^
Konkurrent und Dauerstreitgegenstand auf dem
Reichstag war für Georg von Bayern Herzog Albrecht
der Beherzte von Sachsen, Onkel der Herzöge
Friedrich und Johann, die am Innsbrucker Hof
im Turnier mit Maximilian anzutreffen waren. Albrecht
hat mehrfach das Reichsheer angeführt und
wurde zur stärksten Stütze Maximilians in den Niederlanden
; erst am 6. Juni hatte der König ihm die
Statthalterschaft im aufständischen Friesland übertragen
.87 Er ritt beim Einzug Maximilians in Freiburg
an der Spitze, während der in der Hof ordnung
von 1497/98 durch Maximilian zum Hofmeister
ernannte88 und somit gleichfalls begünstigte Georg
von Bayern sich ganz an dessen Ende setzte - aus
Protest gegen die seiner Ansicht nach ungebührliche
Behandlung (es ist nicht bekannt, wo ihn Maximilian
vorgesehen hatte). Fürstliche Gnaden mit
ihrem Gefolge also hinter dem Straßburger Zug und
den Freiburgern, die dem König entgegengezogen
waren! So, extra ordinem, war die Rangfrage Herzog
Georgs nicht tangiert.89 Der Rangstreit zwischen
Albrecht von Sachsen und Georg von Bayern
beschäftigte und verärgerte dann übrigens immer
wieder als sogenannte Sessionsfrage während
der Reichstagsverhandlungen den König, die Kurfürsten
und übrigen Fürsten.90
Bevor wir uns dem Einzug Maximilians näher
zuwenden, verdient sein „Störenfried" Georg von
Bayern nähere Aufmerksamkeit, zumal er mitverantwortlich
dafür war, daß die wunschgemäß um
acht Tage verschobene Fronleichnamsprozession
des Jahres 1498 nicht den Charakter besonderer Feierlichkeit
erhielt, den sich Maximilian ebenso wie
die daran teilnehmende bzw. zuschauende städtische
Öffentlichkeit davon erhofft haben dürfte: Die
Prozession fand schließlich am 21. Juni ohne den
König und ohne die meisten Fürsten statt, da am
Vortag in der Verhandlung des Reichstags keine
Einigung in der Sessions- und Präzedenzfrage erzielt
werden konnte, übrigens nicht nur zwischen
Albrecht von Sachsen und Georg von Bayern, sondern
auch zwischen den Bischöfen von Würzburg
und Worms. Laut der Aufzeichnung Peutingers gingen
in der Prozession nur der päpstliche Legat und
der Kurfürst Erzbischof Berthold von Mainz;91
doch haben sich offenbar einige der Reichstagsteilnehmer
an ihr beteiligt, wie die städtische Uberlieferung
erkennen läßt: Und ward damals circuiert
also, das uff die hymelvolgtend, burgermeister und
Schultheis, mit wissen steblin als amptlüt, darnach
die kertzen, und uff die kertzen volgt die versam-
lung.92
Wenn wir nach den Gründen für Herzog Georgs
Verhalten fragen, so ist zunächst noch einmal
auf seine bedeutsame Position in der Umgebung
Maximilians zu verweisen; sie blieb auch der Stadt
Freiburg und ihren Amtsträgern nicht verborgen:
Jakob Mennels Aufzeichnung, die auch die
Empfangsgeschenke für Herrscherpaar, Kurfürsten,
Fürsten usw. registriert hat, gibt den Ratsbeschluß
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