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DETLEF ZINKE
ZUR KUNST
DER MAXIMILIANSZEIT
IN FREIBURG
HANS BALDUNG GRIEN
UND DIE RANDZEICHNUNGEN
ZUM KAISERLICHEN GEBETBUCH
I
Bedeutende Kunstvorhaben, nennenswerte Aufträge
waren von der Zusammenkunft eines Reichstags
kaum zu erhoffen; eine Ausnahme macht da auch
Freiburg nicht. Wenn Hans Wydyz, der aus Straßburg
zugewanderte Bildschnitzer, gerade 1497 erstmals
in den Archivalien erscheint, sollten wohl andere
Ursachen verantwortlich sein. Einen Anreiz
für den Neuankömmling und all die, die nach ihm
kamen, bot immerhin die Großbaustelle des Münsters
, dessen neuer, mit Umgang und Kapellen um-
kränzter Chor nach langem Stillstand nun doch
noch vollendet wurde. Aufgaben höchsten Anspruchs
standen hier in Aussicht: Farbverglasungen
und Altäre insbesondere, die Malern, Holzbildhauern
und den zuarbeitenden Handwerkern ein
umfängliches Betätigungsfeld verhießen. Zunächst
der elegante, aufs Preziöse spezialisierte Elsässer
Wydyz, um 1515 dann vielleicht jener ekstatische,
offenbar in Osterreich geschulte Schnitzer, der nach
seinem Monogramm den Notnamen „H.L." erhielt,
schließlich Hans Sixt von Staufen, der bei Riemenschneider
in Franken gelernt haben könnte, sie und
andere wußten die Gunst der Stunde zu nutzen. Für
die größte aller Aufgaben, das Hochaltarretabel, rief
man einen jungen Maler aus Straßburg, Hans
Baidung gen. Grien. Mit seinem Eintreffen 1512
stieg die Stadt noch einmal in den Rang einer führenden
Kunstmetropole des Oberrheins auf.1
Baidung, 1484 oder 85 in Schwäbisch-Gmünd
geboren, entstammte einem Geschlecht von Gelehrten
und hochgestellten Beamten, war also durch
familiäre Herkunft auf seinen Künstlerberuf nicht
vorbereitet. Gegenüber den aus dem Handwerkerstand
kommenden Kollegen und Konkurrenten
muß sein Bildungsvorsprung beachtlich gewesen
sein. Die Lehrjahre mag er in Straßburg oder im
Schwäbischen zugebracht haben. Jedenfalls war
Hans Baidung bereits ein fertiger Maler, da er um
1503 als Geselle für schätzungsweise fünf, sechs
Jahre der Dürerschen Werkstatt in Nürnberg beitrat
. Dort wird er auch das Cognomen „Grien" (der
Grüne) empfangen haben, das ihn, auf modische
Vorlieben anspielend, von weiteren Mitarbeitern
gleichen Vornamens unterscheiden half. Dürer hat
die außergewöhnliche Begabung des jungen Mannes
anscheinend nach Kräften gefördert und des-
Er hat auch die grossen kinstler
der mahlerey und schnitzerey
underhalten und vil kunstliche
werch malen und sneiden lassen,
die in der weit in seiner
gedächtnus aber mit verkerten
namen beleiben werden.
Aus Maximilians
autobiographischer Erzählung
„Weißkunig", Kap. 29
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