Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 444
(PDF, 95 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0446
Detlef Zinke - Die Randzeichnungen Baldungs

wenn nicht sogar ihre kirchenpolitische Rechtfertigung
.43 Der Verweltlichung des Klerus, zumal auch
des amoralischen Stellvertreters Christi auf Erden,
galt ja allenthalben die Kritik jener vorreforma-
torischen Zeiten, die nachweislich von Maximilian
selber geteilt wurde.44 Und erhebt die hilflose Pose
des berauschten Bacchanten, eben dadurch, daß sie
an den ausgestreckten Leichnam des vom Kreuz
abgenommenen Gottessohns erinnert (fol. 71 r),
nicht wahrhaftig einen blasphemischen Anspruch?45
Unter solchen Vorzeichen fände dann auch die Bitte
„et [voluntates] omnium famulorum tuorum in
salutis tue prosperitate dispone - und lenke [den
Willen] aller Deiner Diener auf den Weg zum Heil"
im Bild der dienstbaren Knäblein ihren angemessen
sarkastischen Kommentar.46

Dennoch besticht die Szene, von allem Gedankenballast
befreit, in erster Linie natürlich als
dionysisches Gelage, wie es die griechisch-römische
Antike ersonnen, die italienische Renaissance in
erneuerndem Geist nachempfunden hatte. Insofern
könnte Dürer seinen Gesellen Baidung schon früh
auf das Thema gelenkt haben, denkt man nur an
die 1494 datierte Reproduktionszeichnung nach
einem der Kupferstich-Bacchanalien des Andrea
Mantegna,47 von dem der Nürnberger auf seiner ersten
Italienreise einst einen tiefen Eindruck empfing
. War es so, dann hat sich Baidung mit der
Umsetzung allerdings Zeit gelassen, stellt für ihn
das Gebetbuch nach unserer Kenntnis doch die erste
Gelegenheit dar, sich in diesem antikischen Fach
zu versuchen. Wenig später, 1517, wird er sich dem
Bildstoff in einer herrlichen Hell-Dunkel-Zeich-
nung ein weiteres Mal zuwenden (Abb. 15),4S der
er um 1520 schließlich einen Holzschnitt betont
drastisch-obszöner Machart nachfolgen läßt.49 Wie
schon im Fall der „Kämpfenden Pferde" hat er also
auch hier das kaiserliche Gebetbuch gleichsam als
Experimentierfeld zu nutzen gewußt.

6. Löwe mit Putto und Katze

Lage 14, fol. 76r, Fuß- und Seitensteg unten; mit

authentischem Monogramm „HGB" (Abb. 8)

Lagernder Löwe mit weit aufgerissenem Maul, dahinter
, halb verborgen, ein sich festklammernder
Knabe in Schlummerpose. Vorn eine buckelnde und
fauchende Katze mit gesträubtem Fell. Fortsetzung
des auf fol. 75v beginnenden Psalms 120 (Vers 4-8),
der Gott als Beschützer rühmt und zur Gebetsstunde
der Terz (fol. 74r) gehört.

„Dominus custodit te ab omni malo - Der Herr
behütet dich vor allem Übel", denn der, der über
Israel wacht, schläft nicht, heißt es im Psalm, und
Baidung hat diese trostreiche Versicherung allem
Anschein nach in ein emblematisches Gewand gekleidet
.50 Die damals brandneue, auch im Dienst
maximilianischer Bildpropaganda gebrauchte
Hieroglyphenkunde51 versteht den Löwen, genauer
: dessen Haupt ja in der Tat als Sinnbild der Wachsamkeit
(da er selbst im Schlaf die Augen offen halte
) und könnte insofern unseren Zeichner angeregt
haben.52 Vergleichbares hatte aber auch schon das
weitverbreitete naturkundliche Volksbuch des
„Physiologus", mit christologischer Deutung überdies
, zum Besten gegeben.53 Das schlummernde
Kind jedenfalls weiß sich, so oder so, in sicherer
Obhut. Bemerkenswerter erscheint da schon die bedrohlich
fauchende Katze. Ihr schrieb die seinerzeit
herrschende, auf antikes Wissen gegründete
Temperamentenlehre „cholerische Grausamkeit"

444


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1998/0446