Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
117: Der Kaiser in seiner Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498.1998
Seite: 448
(PDF, 95 MB)
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Detlef Zinke - Die Randzeichnungen Baldungs

tuch des Gekreuzigten (fol. 71r) mag immerhin beabsichtigt
sein.

Zwar ist es müßig, über Baldungs jetzt zunehmend
auffälliges Desinteresse am Gebetbuch Maximilians
zu räsonieren, doch kommt man um das abschließende
Urteil nicht umhin: Der furiose Beginn hatte
insgesamt mehr versprochen. Berechtigte Kritik,
sei sie nun sachlicher, sei sie polemischer Art, ist
deshalb nicht ausgeblieben, wenn auch der unerhörte
Vorwurf, es handele sich partienweise um bloße
„Kritzelei",66 übers zulässige Maß entschieden
hinausgeht. Die Sorge, der orientierungslose Zeichner
habe sich so recht nicht zu helfen gewußt, mutet
als Unterstellung im übrigen kaum freundlicher
an.67 Ist also Baidung an der Aufgabe, an den Zeitumständen
, an sich selber letzten Endes ... gescheitert
? Das allein maßgebliche Verdikt des Bestellers
kennen wir leider nicht und müssen uns dahingehend
mit der knappen Auskunft bescheiden, daß
die Zusammenarbeit mit dem Künstler keine Fortsetzung
fand.68

Was bleibt, ist ein über drei Lagen des kaiserlichen
Gebetbuchs locker verteilter Illustrationsbestand
, der sich eigentümlich disparat, teils auch
unbefriedigend fragmentarisch ausnimmt - ohne
doch nur einmal Fragment zu sein69 - , der jedenfalls
eine ihm zugrunde liegende Konzeption auf
den ersten Blick nicht durchscheinen läßt. Ihm deshalb
ungeprüft jegliche Systematik abzusprechen
hieße allerdings, den intellektuellen Anspruch
Baldungs zu verkennen. Tatsächlich ist ja durchaus
zu beobachten, daß den betreffenden Lagen, vom
Beitrag der übrigen Zeichner abgesehen, jeweils
deutlich unterschiedene Merkmale anhaften. In
Ternio 11 meldet sich ein Künstler mit sozusagen
dichterischer Lizenz zu Wort, der sich die Freiheit

nimmt, ein im Andachtsraum eher abseitiges Thema
, dasjenige des sündhaften „amor carnalis", einzuführen
, auf das der vorgegebene Gebetstext keineswegs
vorbereitet und das er doch als sinnverwandte
, zuweilen parodistisch eingefärbte Erweiterung
duldet. Baidung spielt sein Thema in drei Variationen
durch. Ternio 13 ist dem Erlösungswerk
Christi und der Gnadenvermittlung durch seine
Kirche gewidmet, eine Kirche, die es an ihre ursprüngliche
Aufgabe zu erinnern gilt: affektiv durch
das Bild des leidenden Herrn und seiner mitleidenden
Mutter, satirisch durch den bacchantischen
Widerpart. Davon abgesetzt wiederum ist die
Motivwelt in Ternio 14, wo Putten und eine teils
wunderliche Fauna die jeweilige Botschaft befördern
, gedanklich Verbindendes sich mit hinreichender
Sicherheit aber vorerst nicht einstellen will. Daß
dem Menschen in seiner kreatürlichen Schwäche
und existentiellen Verlassenheit die beständige Fürsorge
des gnädigen Christengottes dennoch gewiß
ist, könnte dieses Thema sein.

Alles in allem, mit seinen Moralappellen und
Schutzverheißungen, läge so immerhin ein Bildprogramm
vor, das der zur Keuschheit verpflichtenden
Lebensform und der glaubenskämpferischen
Vorstellungswelt eines geistlichen Ordensritters
wohl angemessen wäre. Die Forschung wird darauf
vermutlich noch präzisere Antworten finden.

Wie auch immer: Wenn nicht alles täuscht, dann
hat sich auch unser Meister der geistigen Herausforderung
der Gebetstexte gestellt, in formaler Hinsicht
radikal anders zwar, doch - in seinen besten
Momenten - kaum weniger überlegt als das
ehemalige Vorbild Dürer. Maximilian und seine
kundigen Berater sollten zumindest diese Qualität
Baldungscher Phantasiearbeit aufmerksam wahrgenommen
haben.

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