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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
119.2000
Seite: 28
(PDF, 35 MB)
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der vertikalen Trennung der Brüder nieder» Das bisher noch allgemein benannte
Thema der Opferung erlangt somit eine neue Bedeutungsschicht, nämlich die Wertung
des Opfers. Diese erweiterte Thematik der Wertung bezieht sich auch auf den
Täuferzyklus. Dort nämlich wird durch die Opferung des unschuldigen Täufers
durch den gottabgewandten Herodes die falsche Opferung des Herodes als irdische
Macht dargestellt, unter dessen Herrschaft auch die unschuldigen Kinder und Chri-
stus selbst geopfert werden. Die Ubergabe des Kopfes findet bei dieser grausamen
Handlung in gleicher Weise statt wie die Opferungen Kains und Abels - genauer gesagt
wie bei Kain durch die unverhüllten Hände des Dieners bewertet. Während der
körperliche Tod des Täufers, durch Intrigen, Machtgelüste und Leidenschaft von
Herodes und Herodia hervorgerufen, geradezu tragisch banal wirkt,73 ist die Opferung
seiner Seele zu Gott berechtigt. Die Darbringung der Seele des Täufers entspricht
durch die emporgehobenen Hände des Engels wiederum der bekannten Ge-
ste des Uberreichens. In diesem Kontext ist der stehende Heilige als der sich selbst
darbringende Täufer zu sehen. Unterschieden wird also sowohl zwischen den
falschen und den richtigen Gaben als auch zwischen den falschen und richtigen
Empfängern. Während der totalitäre, machtversessene irdische Empfänger das
falsche Opfer verlangt, empfängt die himmlische, gerechte Allmacht das rechte
Opfer, verurteilt das schlechte und opfert sich selbst. In der zweifachen Aktivität
Gottes, nämlich dem Geben und dem Nehmen, kann der Grund für die Doppelung
des Motives Christus und Hand Gottes vermutet werden: einmal als sich selbst
Opferader, das andere Mal als Empfangender.

So läßt sich bisher zusammenfassen, daß die in der Darstellung von Kain und Abel
ausgedrückte Thematik der Wertung des Opferns inhaltlich auf die Fresken als Gesamtentwurf
zu übertragen ist. Und auch die in der Fensterleibung vollzogene Verbindung
zwischen inhaltlicher Aussage und Komposition, bei der die vertikale Trennung
die gute von der schlechten Seite scheidet, trifft für das Gesamtprogramm zu.
In der Darstellung des Täufermartyriums findet die gute Opferung der Täuferseele
auf der heraldisch rechten Seite statt, die schlechte wird auf der Linken vollzogen.
Somit ist der Bruch mit der erzählerischen Chronologie der Ereignisse nicht nur eine
Dramatisierung, sondern auch als Ergebnis einer übergreifenden Ordnung zu sehen.
Diese Unterscheidung der Seiten in die gute Rechte und schlechte Linke gleicht dem
Bildformular von Weltgerichtsdarstellungen. Im Kontext des Gerichtsgedankens erfährt
der stehende Heilige eine erweiterte Bedeutung. Er ist hier auch als fürbittender
Täufer zu verstehen und vereinigt somit in seiner Figur den sich selbst Darbringenden
mit dem Fürbittenden. Bei den Fresken der Ostwand ist demnach aufgrund
des komplexen Bezugsystems von einem Bildprogramm zu sprechen» Diese Komplexität
macht es möglich, das Bildprogramm auf unterschiedlichen Ebenen zu
lesen. Im historischen Sinn wird das Martyrium des Täufers - wenn auch mit
Brüchen - nach der literarischen Vorlage erzählt. Im allegorischen Sinn wird durch
das Thema der Opferung des Johannes und Abels des erlösenden Kreuzestodes Christi
gedacht, der seine bildliche Darstellung auch im Altarkreuz findet. Im moralischen
Sinn wird durch die Aufrichtigkeit des Opfers zur Reinheit der Seele gemahnt,
die Gott dargebracht werden soll. Der anagogische Sinn weist auf die Gerechtigkeit
und Freiheit bei Gott hin, welche durch den Fürbitter Johannes ermöglicht werden

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