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dem Schmied Engler, welcher wegen Mangel der Kleidung sich als bloß praktischer,
nicht aber theoretischer Verächter der Religion darstellt, durch vorschußweise Unterstützung
aus dem Almosen an Händen gegangen und ihm die nötigste Bedürfnis
daraus angeschafft werde, auch" - und hier kommen dem Fürstlichen Rat wohl Bedenken
, und er streicht diesen Satz wieder durch und fährt fort - Wollen Wir, „daß
das Pfarramt sich bemühen solle, den Schmied Engler von dem so schädlichen
Brandweinstrinken, als der Quelle seines ökonomischen und sittlichen Verderbens
zu entfernen, bei fruchtlos bleibenden gütlichen Mahnungen hingegen mit ... ordnungsgemäßer
Ahndung gegen ihn vorzugehen."
Leicht hatte es ein Sulzburger Pfarrer auch im Jahre 1800 nicht, denn gleich im
nächsten Punkt heißt es weiter: „Werden Wir gerne sehen, wenn die Hafner Mar-
quardischen Eheleute durch dienlichen Zuspruch des Pfarrers wieder zur Versöhnung
gebracht, und eine vollkommene Einigkeit unter ihnen wird erzielt werden!"
Immerhin stand so ein geplagter Pfarrer nicht allein, denn es folgt der tröstliche
Satz: „Die Ortsvorsteher führen einen guten Lebenswandel und gehen dem Pfarrer
nötigenfalls an die Hand... Die Kirchenältesten betragen sich ehrbar und lassen sich
ihren Beruf angelegen sein, - Gegen die Hebamme wurden keine Klagen vernommen
."
So antwortet denn der Pfarrer auf die an ihn direkt gerichtete Frage, ob er ,,a) überhaupt
von seiner Amtsführung in der Gemeinde einige Frucht wahrnehme, besonders
b) in welchen Stücken es ihm gelungen sei, den Volkscharakter in seiner Gemeinde
zu verbessern, oder ehemals herrschende Sünden und Unordnungen abzustellen
..." kurz und bündig, er hoffe, „nicht ohne Segen zu arbeiten."
Das scheint auch die Gemeinde so zu empfinden, denn die Antworten auf die
Frage über seine Arbeit und sein Verhalten, die nun in Abwesenheit des Pfarrers von
den Ortsvorgesetzten, von den Kirchenältesten und dem Almosenpfleger gegeben
werden, sprechen für ihn. „Er halte die öffentlichen Gottesdienste zu einer festgesetzten
, schicklichen Zeit ... Er pflege eines öfteren Umgangs mit Gemeindegliedern
, benutze die Gelegenheiten, die sich darbieten, Gutes zu stiften. In der Ehe und
Kinderzucht sowie in guter Verwaltung des Hauswesens leuchte er mit gutem Beispiel
vor."
Nachdem das Kapitel über den Pfarrer abgeschlossen ist, geht es in größerem
Kreise und nun wieder in Anwesenheit des Pfarrers an einzelne Punkte des Gemeindelebens
(Fragen 50-119).
Da wird nun besonders deutlich, wie sehr das tägliche Leben von den Wertvorstellungen
der Kirche geprägt war und welche praktische Bedeutung z.B. Christenlehre
, Armenpflege und christliche Moralvorstellungen für den einzelnen Menschen
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch hatten.
Vergleichen wir dieses Leben mit unserem heutigen, so sehen wir, wie einerseits
Liberalismus, Wirtschaftssystem und steigende Bedeutung des Individiums die Gesellschaft
grundlegend verändert haben, wie andererseits aber christliche Ethik -
verweltlicht und von vielen gar nicht mehr als solche erkannt - doch noch auf das
Denken unserer Zeit einwirken.
Im Visitationsprotokoll wird auf die einzelnen Fragen geantwortet: Frage 55 „Ob
die der Schule entlassene Jugend bis zu dem gehörigen Alter zu Besuchung der kate-
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