Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
119.2000
Seite: 120
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2000/0122
Unter diesen Umständen war die männliche Arbeitskraft die Hauptressource der
Stadt und diese wurde vom Militär unersättlich ausgeschöpft. Als Handwerker,
Händler, Gehilfen und Angestellte massenweise zum Heeresdienst eingezogen wurden
und das Freiburger Baugewerbe zusammenbrach, bemühte sich die Handwerkskammer
nach Kräften um das Schicksal der noch funktionierenden Betriebe. In den
kleinbetrieblichen Nischen der Kriegswirtschaft ließen sich zwar allerlei kleinere
Heeresaufträge einbringen - u. a. für Proviantwagen, Pferdehufeisen, Bergstiefel,
Mäntel und Sattlerarbeiten - aber Handwerk und Handel schrumpften trotzdem in
Freiburg angesichts des Arbeitermangels, besonders in den letzten Kriegsjahren, als
das Hilfsdienstgesetz die Stillegung weiterer Betriebe durch die rücksichtslose Umstellung
der noch vorhandenen Arbeitskräfte erforderte.12 Bis Sommer 1917 hatte
das Freiburger Wirtschaftsleben, so beklagte sich ein städtischer Beamter, „einen
solchen Tiefstand" erreicht, „wie er wohl seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts
nicht mehr zu verzeichnen ist".13 Im Freiburger Handwerkskammerbezirk
wurde ein Drittel aller Handwerker einberufen. Ihr Wegzug erzwang in den meisten
Fällen den Betriebsschluß. Im Rahmen eines Rückgangs sämtlicher Freiburger Betriebe
um 15 % im Verlauf des Krieges sank die Zahl der Baubetriebe allerdings um
37 %, im Textilgewerbe war die entsprechende Zahl 29 %, in der Metallverarbeitung
sogar 44 %, als gelernte Arbeiter die Stadt verließen, um besser entlohnte Stellen in
der Kriegsindustrie im badischen Norden, etwa in Mannheim oder Karlsruhe, zu finden
.14

Das Elend der Freiburger Wirtschaft führte zu einer sozialen Umstrukturierung,
die man im April 1917 auch auf dem Friedhof spürte. Die Mehrzahl der zu bestattenden
Toten waren Frauen. Dies entsprach einer allgemeinen Verweiblichung der
Stadt während des Krieges, die unmittelbar aus der Einberufung der männlichen Bevölkerung
folgte. Die Einwohnerzahl sank im Verlauf des Krieges, aber die Zahl der
Frauen stieg sowohl absolut als auch proportional. Am Ende des Krieges war die
Zahl der von Frauen geleiteten Haushalte in Freiburg, wie die Zahl der Frauen überhaupt
, um 10% gestiegen.15 Die berufliche Präsenz der Frauen wurde damit zu
einer der charakteristischen - und kontroversen - Erscheinungen des Krieges, die namentlich
im Beschluß des Stadtrates symbolisiert wurde, daß Frauen fortan auch als
Straßenbahnschaffnerinnen angestellt werden durften. Weniger dramatisch, aber bedeutender
war der verstärkte Einzug von Frauen in die Wirtschaft als Händlerinnen,
Arbeiterinnen und Angestellte - etwa als Kontoristinnen bei Himmelsbach ~~ in Stellen
, die in wohl den meisten Fällen der Wegzug der Männer zum Heeresdienst geöffnet
hatte. Eine ähnliche Tendenz war die Verweiblichung des Freiburger Vereinslebens
, die zunehmende Dominanz der Frauenvereine verschiedener Art, vor allem
im karitativen Bereich, und das Ruhen des männlichen Vereinswesens, sei es in den
Krieger-, Turn- oder Schützenvereinen.

Eines der weiblichen Opfer des Fliegerüberfalls war in noch einer anderen Hinsicht
bemerkenswert Die Betreffende war als Putzfrau beim städtischen Elektrizitätswerk
beschäftigt, als sie in den Trümmern starb. Sie gehörte damit, wie ihr bei
demselben Angriff getöteter Kollege, ein älterer Hilfsarbeiter in der Stadtgärtnerei,
zur Kategorie der öffentlichen Arbeiter. Diese Berufsgruppe war eine der wenigen,
die in Freiburg im Verlauf des Krieges zahlenmäßig anstieg, nicht zuletzt deshalb,

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