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Fliegerüberfall vom April 1917 tat auch das seine, um diese Konflikte anzuheizen.
Von aufgeregten Bürgern wurde die Wirksamkeit der Freiburger Fliegerabwehr in
Frage gestellt und heftig darüber gestritten, ob man nachts wegen der Fliegergefahr
die Straßenlampen löschen sollte - und ob die Stadt überhaupt imstande sei, die
Sicherheit ihrer Einwohner zu gewährleisten. Als viele wohlhabende Einwohner -
darunter ein Himmelsbach - deswegen drohten, der Stadt den Rücken zu kehren,
fand die Mißstimmung weiter Kreise in Petitionen und öffentlichen Protesten ihren
Ausdruck.18 Unter diesen Umständen lieferte die Fliegergefahr den Behörden ironischerweise
einen willkommenen Vorwand, Versammlungen verschiedenster Art zu
verbieten oder einzuschränken - einschließlich der Trauerfeier auf dem Hauptfriedhof
, zu der nur mit Eintrittskarten Einlaß gewährt wurde.
Dort hörten die zugelassenen Teilnehmer schließlich eine Ansprache vom neugewählten
Rektor der Universität, der eines der Fliegeropfer speziell gedachte,
eines Studenten der juristischen Fakultät, der als Hilfsarbeiter in der Firma Himmelsbach
sein Lebensende fand. Dieser wurde damit in die Liste der mehr als 500
bis Ende des Krieges gefallenen Studenten der Alberto-Ludoviciana eingetragen.19
Auch in anderem Zusammenhang hatte sich die Freiburger Universität schon als
Rückgrat des Krieges erwiesen. Universitätsräume wurden für Lazarette, Schulklassenzimmer
und andere Kriegszwecke freigemacht. Studentinnen und Studenten
wie der bei Himmelsbach gefallene, die nicht an der Front verwendungsfähig
waren, stellten sich freiwillig oder als Hilfsdienstpflichtige in Handel, Industrie
und Landwirtschaft zur Verfügung. Darüber hinaus war die Universität, vor allem
ihr Lehrkörper, wohl des Krieges prominenteste moralisch-geistige Stütze in Freiburg
. In Eingaben, Aufrufen und Veranstaltungen zugunsten der Kriegsanleihen
und anderer patriotischer Aktionen, in wissenschaftlichen Vorträgen, vaterländischen
Versammlungen und in der Führung der Freiburger „nationalen" Vereine
standen bekannte Wissenschaftler der Universität - u. a. die Historiker Georg von
Below und Heinrich Finke, der Psychiater Alfred Hoche und der Mathematiker
Lothar Heffter (der die Universität auf dem Hauptfriedhof vertrat) - an der Spitze
jener Kräfte, die den Krieg von Anfang an als einen ruchlosen Überfall, die letzte
Herausforderung und Prüfung der deutschen Nation darstellten, während sie einen
Siegfrieden mit entsprechenden Annexionen als Lohn für die vom deutschen Volk
erlittenen Kriegsopfer verlangten.
Der Auftritt Heffters auf dem Friedhof sollte also nicht nur den gefallenen Studenten
ehren, sondern auch einer bestimmten Darstellung des Krieges Geltung verleihen
. Dabei wurde Heffter gute Gesellschaft geleistet, denn die meisten anderen
Würdenträger auf dem Hauptfriedhof hatten sich in der Verbreitung eben dieses
Kriegsbildes kaum weniger exponiert. Diese Proposition galt vor allem den Kirchenführern
, besonders den evangelischen. Es war nur angemessen, daß die auf dem
Friedhof versammelten Geistlichen beider Konfessionen den Opfern zahlenmäßig
überlegen waren. Damit wurde auch der tiefere Zweck der Veranstaltung angedeutet
. Es ging um eine Verkündung von Einheit, gegenseitigem Vertrauen und Durchhalten
bis zum Sieg. „Nie haben wir es so tief gefühlt, wie in diesem Krieg", sagte
der Dompfarrer, „daß wir alle Menschen, Brüder, eine Familie sind." Dieser Gedanke
, auf Freiburg gemünzt, wurde von Himmelsbach, der sich „wie ein Vater an
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