http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2000/0132
In den evangelischen Landeskirchen brach daraufhin ein Sturm der Entrüstung
los. Die schon bestehenden Widerstandsgruppen gegen die nationalsozialistischen
Eingriffe in kirchliche Unabhängigkeit und Bekenntnisfragen wuchsen schnell an.
Der Pfarrernotbund unter Martin Niemöllers Leitung, der sich bisher von allem ge-
gen das Ubergreifen des Antisemitismus in den kirchlichen Bereich gewehrt hatte,
protestierte heftig. Auch Nationalsozialisten wandten sich gegen diese Form der Bekenntnisverletzung
.
Der Reichsbischof mußte zurückstecken und seine offizielle Verbindung zu den
„Deutschen Christen" lösen. Die Parteiführung hatte sich schon vorher etwas abgesetzt
, um die Unruhe in Partei und Bevölkerung zu dämpfen.
Die Spaltung in der deutschen evangelischen Kirche war aber längst vollzogen. In
Gemeinden und Landeskirchen schlössen sich die Christen gegen die Irrlehren und
die Rechtsbrüche der deutschchristlichen Pfarrer und der nationalsozialistisch beherrschten
Kirchenleitungen zu Bekenntnisgemeinden und der „Bekennenden Kirche
" zusammen. Sie stellten ihr Bekenntnis vor alle politischen oder kirchenorganisatorischen
Fragen und bildeten Notbünde.
Reichsbischof, Reichsregierung und Partei setzten aber ihre Versuche fort, die
noch intakten Gemeinden und Landeskirchen „gleichzuschalten". Sie arbeiteten
dazu mit Intrigen, Druck und Terror. Damit scheiterten sie in Hannover und Westfalen
, besonders aber in Württemberg und Bayern völlig. Pfarrer und Gemeindemitglieder
bekannten sich offen und demonstrativ zu ihrem Bekenntnis und zu ihren
Landesbischöfen, die zeitweise unter Hausarrest standen.
In den von den „Deutschen Christen" beherrschten Gemeinden und Landeskirchen
bildeten sich oppositionelle Kirchenleitungen der Bekennenden Kirche, die
sich Bruderräte nannten. Der „Reichsbruderrat" war die „Vorläufige Kirchenleitung"
der Deutschen Evangelischen Kirche. Finanzielle Macht und staatliche Unterstützungen
, blieb aber bei den offiziellen, von den „Deutschen Christen" beherrschten
Kirchenleitungen.
Im Mai 1934 versammelten sich in Barmen die Vertreter aller bekennenden
Gruppen, Gemeinden und Landeskirchen zu einer Reichsbekenntnissynode. Dieser
Synode fehlte zwar eine formale juristische Grundlage. Sie formulierte aber in 6
Thesen eine „Theologische Erklärung", die für lutherische, reformierte und unierte
Protestanten zu einem Bekenntnis wurde, das sie im Widerstand gegen alle Irrlehren
verband, und das noch heute zu den Grundlagen der „Evangelischen Kirchen in
Deutschland", der EKD, gehört.
These 1 und These 5 zusammen bestimmen das Verhältnis von Kirche und Staat
zueinander.
These 1 stellt die Kirche allein auf Gottes Wort und macht sie frei von allen ideologischen
Ansprüche von außen.
, Jesus Christus, wie er uns in der heilige Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort
Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu
gehorchen haben.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer
Verkündigung außer und neben diesem einen Wort Gottes auch noch andere Ereignisse
und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen."
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