http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2000/0136
Alten Testaments und ihre Verknüpfung mit dem Neuen Testament hervor. „Dankbar
folgten die Hörer den Ausführungen des Vortragenden", schreiben die „Mark-
gräfler Nachrichten".
Vielleicht ein wenig Einblick in das Empfinden von Gemeindegliedern erhält man
durch einen Zeitungsbericht über einen Vortrag Deßeckers vor dem Kirchenausschuß
seiner Gemeinde in Sulzburg. Nachdem er über die (zwangsweise d.Vf.) Eingliederung
der Evangelischen Jugend in die Hitlerjugend berichtet hatte, sagte er in
seinem Vortrag „Der totale Staat und der Totalitätsanspruch Gottes": „Nur der wird
den totalen Staat verstehen und bejahen, der sich andererseits zu dem Totalitätsanspruch
Gottes versteht und bekennt Allerdings ist das gegenseitige Verhältnis beider
irrational. ... Man wird sein eigenes Volk mit ganzer Hingabe lieben und zugleich
die Einheit der Menschheit im Kreuze Jesu Christi erfassen". In dem Bericht
über die Aussprache steht dann der Satz: „Manches, was besonders treue Glieder
unserer Kirche bewegt und zum Teil in Unruhe versetzt, dürfte sich in der Zukunft
bei gutem Willen von jeder Seite, den man wohl voraussetzen kann, befriedigend
klären und lösen".
Die Unruhe in der Gemeinde war also da.
Andererseits erstaunt uns, die wir nun wissen, wie alles weitergegangen ist, das
Vertrauen und die Annahmen guten Willens. Wollte man gerne glauben, was man
sich wünschte, oder war es Ahnungslosigkeit?
Man konnte zu der Zeit schon ahnen, wohin der Weg ging. Im „Staufener Tagblatt
" standen im Laufe des Jahres 1933 mehrfach sehr deutliche Berichte über Konzentrationslager
in Baden, in denen nicht nur Kommunisten und Sozialdemokraten
eingesperrt waren, sondern auch Zentrumsabgeordnete, und in denen schlimme
Zustände herrschten.
Die tiefgreifenden Auseinandersetzungen um die Freiheit und Reinheit des christlichen
Glaubens haben vielleicht nur wenige wirklich betroffen gemacht. Den täglichen
Streit aber, der durch den Herrschaftsanspruch der NS-Partei gegenüber der
Kirche entstand, haben in einem so kleinen Ort alle miterlebt.
Zunächst fällt wieder die Bereitschaft der Kirche auf, mit der Partei zusammenzuarbeiten
, so als bestünde tatsächlich eine geistige Gemeinsamkeit. In der Zeitschrift
des Evangelischen Jungmännerwerks Deutschlands heißt es im Mai 1933:
„Das Evangelische Jungmännerwerk hat sich hinter den Volkskanzler Adolf Hitler
gestellt und meint es ehrlich damit. Es muß daher unseren Führern gelingen mit der
Jugend, die ... den Namen des Kanzlers trägt, zu einem gemeinsamen Leben für
Deutschlands Freiheit, Kraft und Ehre zu kommen." Die Badische Landessynode beschloß
im Juli: „Die Kirche ist bereit, wo ihr Dienst begehrt wird, an der religiösen
Ertüchtigung der Hitlerjugend mitzuarbeiten," und wies die Geistlichen an, „sich
dem Ruf zur Mitarbeit im Dienst der Hitlerjugend nicht (zu) entziehen, vielmehr sich
dazu überall willig (zu) zeigen und bereit (zu) halten."
Der Sulzburger Pfarrer notierte dazu auf diesem Brief Namen und Adressen der
Bezirks- und Orts-HJ-Führer.
Die Zwangseingliederung der Evangelischen Jugend in die Hitlerjugend, die der
Reichsjugendführer der HJ und der nationalsozialislische „Reichsbischof* gegen
den Willen vieler Landeskirchen im Dezember 1933 vereinbart hatten, führte über-
134
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2000/0136