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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
119.2000
Seite: 144
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2000/0146
führt werden konnte, wird ebenfalls beschlagnahmt und ist wie das Vermögen der
ausgewiesenen und weggebrachten Juden zu behandelnd

Was für die Opfer ein brutaler Willkürakt war, versuchten die Nazis der nicht-jüdi-
schen Bevölkerung als rechtmäßiges staatliches Handeln auf der Basis von Gesetzen
und Verordnungen darzustellen. Es wurde „ausgewiesen", „weggebracht" und „beschlagnahmt
", es wurden „Fristen zum Packen gesetzt" und „Höchstmengen für
Gepäck" festgelegt. Bürokratisch ließen sie das Ungeheuerliche durch die Staatsdiener
als normale Verwaltungsakte abwickeln, lieferten damit auch den damit befaßten
Beamten das beruhigende Gefühl, nur Anweisungen von höherer Stelle auszuführen
.

Gleichwohl waren sich die Nazis doch nicht gänzlich der fraglosen Akzeptanz
ihres Vorgehens sicher. Deshalb sollte alles möglichst unbemerkt, geräuschlos und
geordnet stattfinden. Und das gelang ihnen auch großenteils. Heydrich konnte dem
Auswärtigen Amt am 29, Oktober zufrieden mitteilen: Die Abschiebung der Juden
ist in allen Orten Badens und der Pfalz reibungslos und ohne Zwischenfälle abgewickelt
worden. Der Vorgang selbst wurde von der Bevölkerung kaum wahrgenommen
.1 Auch in unserer Stadt kam es - wie die eingangs erwähnte Polizeichronik notierte
- nicht zu unerwünschten Zwischenfällen: Der Abtransport ging in aller Ordnung
vor sich, heißt es dort,

Unbemerkt blieb das Geschehen freilich nicht, doch die Mehrzahl derjenigen, die
etwas sahen, schauten weg. Sicher, es gab auch einige, die den Judenhaß der Nazis
verinnerlicht hatten und mit Vergnügen sahen, daß es nun den Juden ans Leder ging;
doch die meisten Zeugen des Vorgangs duckten sich einfach nur, wollten sich kei-
nen Arger einhandeln, hatten selber Angst. Daß trotz der frühen Morgenstunde nicht
doch viele Freiburger mitbekamen, was da passierte, mag glauben, wer will: Die eingangs
zitierte Alice Leimenstoll war gewiß nicht die einzige, die sah, was passierte,
und hörte, was darüber geredet wurde. Denn geredet wurde darüber in der Stadt, freilich
nur hinter vorgehaltener Hand. Und noch heute geben die wenigsten von denen,
die etwas beobachtet haben, das gern freiwillig zu. Schamhaft wird geschwiegen. So
fand auch ein im September 2000 in der Tageszeitung lancierter Aufruf des Kulturreferats
der Stadt Freiburg zur Mitteilung von Erinnerungen an den 22. Oktober 1940
nur ein schwaches Echo. Immerhin konnten einige „Zeitzeugen" befragt werden.
Von der kurzen Notiz über Beobachtungen am Deportationstag bis hin zu ausführlichen
Erlebnisschilderungen reichen die Mitteilungen. Eher spärlich waren darunter
freilich die Informationen speziell zum Geschehen am 22723> Oktober. Wenn im
folgenden aus den ,*Zeitzeugenaussagen" zitiert wird, ist meist der Name des Informanten
unkenntlich gemacht. Fast alle Befragten legen aus unterschiedlichen Gründen
Wert darauf, nicht namentlich genannt zu werden,8

Auch in Freiburg war die Deportationsaktion in den frühen Morgenstunden des
22. Oktobers angelaufen. Anders als bei Therese Loewy in der Katharinenstr. 12, wo
es noch fast dunkel war und gerade die erste Straßenbahn vorüberrumpelte, als die
Gestapo klingelte, rückten Unheilsboten andernorts viel später an. Frau H„ Tochter
eines zwangspensionierten Karlsruher PH-Professors, die nach Nazi-Diktion „Halbjüdin
" war und deswegen unter Gehässigkeiten und Schikanen von Lehrern und Mitschülern
an der Hindenburgschule, dem heutigen Goethe-Gymnasium am Holz-

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