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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
119.2000
Seite: 147
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2000/0149
Stätte, kamen.15 Brauerei und Hebel-Schule sind allerdings nicht weit voneinander
entfernt.

Nicht nur Freiburger Juden wurden dort im Stühlinger zusammengekarrt. Aus
dem ganzen Umland schaffte die Gestapo jüdische Menschen heran. Lilli Reckendorf
berichtet darüber: Der Saal fällte sich von Stunde zu Stunde, Es kamen Lörracher
, Sulzburger, Eichstettei; Breisacher etc.,., Die sehr bunt zusammengewürfelte
Gesellschaft benahm sich sehr still, fast vornehm. Man muß sich vergegenwärtigen,
dass es Bauern, Viehhändler, Kaufleute, Bankiers, Gelehrte, Beamte, Gesunde und
Kranke, Säuglinge und Greise, Blinde und Taube, Irrsinnige und Verblödete waren.
Alle waren sie auf einen Schlag heimatlos, ohne mehr Geld als 100 M, ohne mehr
Gut als was sie zu tragen oder überhaupt in der Überstürzung einzupacken vermochten
. Und das war bei manchen sehr wenig. Es waren mehr Alte als Junge, mehr
Frauen als Männer. Sie mußten zum Schluß nach Ortschaften getrennt vor Notar
Holler antreten, um nochmals namentlich festgestellt zu werden. Es handelte sich um
eine genaue Feststellung der Abtretung aller Rechte an die Reichsvereinigung der
Juden.16 Wieder ist hier diese schon angesprochene Diskrepanz zwischen skrupelloser
barbarischer Gewalttätigkeit einerseits und bürokratischer, scheinbar in geordneten
und gesetzlich abgedeckten Bahnen laufender Abwicklung andererseits zu
beobachten. Das Ungeheuerliche sollte normal und legal erscheinen. Man legte
tatsächlich Wert auf formalen Vermögensverzicht, auf ein Schriftstück, das man zu
den Akten nehmen und etwaigen Zweiflern vorweisen konnte. Geordnet ging es zu.
In der eingangs genannten Polizeichronik wurde wenige Tage nach der Deportation
notiert: Die Geheime Staatspolizei hat heute weisungsgemäß die Schlüssel der versiegelten
Wohnungen derjenigen Juden, die bei der Aktion am 22. und 23.10.1940
von hier abtransportiert wurden, der Polizeidirektion abgeliefert.17 Am 31. Oktober
fand im badischen Ministerium des Innern eine Besprechung der Sachbearbeiter für
die Verwaltung und Verwertung des jüdischen Vermögens statt, bei der die Zuständigkeit
für das weitere Verfahren geregelt wurde. Drei Wochen später hält die Polizeichronik
fest: Mit Erlaß vom 29,10,1940 Nr. 90939 hat der Herr Minister des Innern
verfügt, dass der Polizeidirektor in Freiburg die Verwaltung des jüdischen Vermögens
im Stadtkreis Freiburg und in den Landkreisen Freiburg und Neustadt
übernimmt. Zur Durchführung dieser Auf gäbe wurde eine Abteilung eingerichtet mit
der Bezeichnung „Der Polizeidirektor - Abteilung jüdisches Vermögen". Sie ist der
Polizeidirektion eingegliedert. Die Leitung dieser Abteilung wurde dem Leiter des
Wirtschaftsamtes, Polizeirat Lögier, übertragen.1*

Doch zurück zum Deportationstag. Offenbar haben die Abholkommandos ihren
Opfern manchmal nur wenige Minuten zum Packen gelassen, denn bereits um 7.30
Uhr, also nur zwei Stunden nach Beginn der Aktion, stauten sich Lastkraftwagen
voller verängstigter Menschen auf der Brücke zum Stühlinger. Herr D* aus Staufen
beobachtete damals: Ich war Schüler des Berthold-Gymnasiums, damals noch in der
Bertoldstraße, vielleicht in der 4. Klasse, und ging meinen morgendlichen Schulweg
aus der Eschholzstraße über den Herz-Jesu-Kirchplatz auf die alte Stühlinger Eisenbahn
-Überführung zu, vielleicht um 7.30 Uhr. Da standen eine Reihe von Polizeiautos
, meines Erinnerns offen, aber mit überspanntem Verdeck auf der Brücke in
Richtung Stühlinger bis in die Kurve der nördlichen Abfahrt, besetzt mit alten Leu-

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