Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
119.2000
Seite: 148
(PDF, 35 MB)
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ten, am Stern als Juden deutlich erkennbar. Die Leute, deren rotgeweinte Augen mich
schon damals bewegten, hatten kleine Bündel auf dem Schoß. Ich meine gehört zu
haben, wie ein Mann der Bewachung uns zufälligen Passanten zurief: Weitergehen!19

Wie lange das Sammellager, sei es nun in der Schule oder der Brauerei am Stühlinger
Kirchplatz gewesen, bestand, ist unklar. Martha und Else Liefmann erinnerten
sich daran, bis nachts in der Schule festgehalten worden zu sein: Nachdem wir
in einem Schulhaus unserer Heimatstadt bis nachts um zwei Uhr gefangengehalten
wurden, kam plötzlich das Kommando: „Alle mit dem Gepäck antreten." Draußen
im Schein einiger Lichter wurden die Namen aufgerufen, Autobusse standen bereit,
uns nach dem Güterbahnhof zu bringen.2® Diese Darstellung bestätigt auch Lilli
Reckendorf in ihrem Tagebuch: Etwa um 1 Uhr nachts wurden wir aufgerufen, um
wieder hinunter zu gehen mit unseren Kojfern. Diesmal standen Lastwagen mit Bänken
bereit, wie man sie bei der Polizei benutzte. Natürlich war verdunkelt und kaum
mehr Zuschauer zugegen.21

Die Lastwagen fuhren das kurze Stück zum Bahnhof. Wo nun genau die Unglücklichen
hingeschafft wurden, ist wieder nicht ganz klar. Es gibt widersprüchliche
Mitteilungen. Lilli Reckendorf weiß, daß sie vom Stühlinger her auf den westlichsten
Bahnsteig geführt wurde, wo gegen 2.00 Uhr morgens ein Zug mit einem
Sammeltransport aus Konstanz, Gailingen, Mittelbaden, Offenburg, Lahr und Emmendingen
eintraf.22 Andere Zeitzeugen erinnern sich, daß die Güterhalle gegenüber
der heutigen Specht-Passage an der Snewlinstraße - und inzwischen abgerissen -
Sammel- und Verladeort an der Bahn war,

Eine Dame aus Freiburg, die ungenannt bleiben will, hat eine besondere Begebenheit
geschildert, die sich dort an der Güterhalle abgespielt hat. Frau K. ist, was
die Nazis als „Vierteljüdin" bezeichneten. Ihr Vater wurde immer wieder, wie sie
sagt, von der Gestapo in die Mangel genommen. Schließlich sei er in den Untergrund
abgetaucht. Auch ein Onkel sei immer wieder verhaftet und in KZs oder Gefängnisse
gesteckt worden. Zum Deportationstag 1940 erzählt Frau K. eine Begebenheit
mit ihrem damals achtjährigen Bruder, der am 23. Oktober um die Mittagszeit bei
der Güterhalle mit Kameraden gespielt hatte,23 Dieser Junge war übrigens eines der
Kinder, die sich beim Spielplatz an der Kreuzstraße aufgehalten hatten, als dort irrtümlicherweise
im Mai 1940 deutsche Flugzeuge Bomben abwarfen und dabei zahlreiche
Kinder ums Leben kamen. Am 23. Oktober 1940 sei er nun plötzlich weinend
heimgekommen in die Friedrichstraße und habe gerufen: Mutti, Mutti, gib mir Milch
in 'ner Weinflasch. Ich brauchs ganz dringend - und mach 'nen Korke drauf! Dann
hat meine Mutter gesagt: Ja was willst denn Du damit? Du kannst selbstverständlich
Milch haben. Ich geb Dir eine Tasse. - Nein, nein, in einer Flasche, antwortete
daraufhin der Bub: Da gibt's Babys, die weinen, und die Leut haben keine Milch.
Um es zu beruhigen, gab die Mutter dem Kind schließlich die Milch in der Flasche.
Der Bub rannte damit zur Güterhalle an der Snewlinstraße. Frau K. berichtet weiter:
Da stand der Zug und die Kinder haben gesehen, daß da Babys weinten, und das hat
meinem Bruder furchtbar imponiert. Und dann haben die Kinder anscheinend die
Wachen abgelenkt und dann haben die Leute meinem Bruder gesagt: Kannst Du
nicht Milch besorgen, und haben auf die Babys gezeigt. Und daraufhin ist mein Bruder
heimgerannt.

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