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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
119.2000
Seite: 160
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2000/0162
Er ist nicht der einzige jüdische Freiburger, der sich das tatsächlich nicht vorstellen
kann. Von den 1138 Bürgerinnen und Bürgern jüdischen Glaubens, die 1933 gezählt
wurden, lebt noch der weitaus größte Teil weiterhin in der Stadt.22 Auch Julius
Hausers Bruder Siegfried und dessen Frau Lina - Max Frank kennt das Ehepaar von
den Besuchen bei ihrem Bruder in der Friedrichstraße - zögern zu emigrieren, Siegfried
Hauser hat das 1908 vom Vater übernommene Geschäft in Endingen 1937 verkaufen
müssen und ist von dort, wo er früher so angesehen war und nun so unerwünscht
ist, in das größere Freiburg gezogen. Mit Hilfe des Bruders Wilhelm, der
bis zu seiner Zwangspensionierung Ende 1933 Professor für Mathematik und Physik
an der Neuburg-Obeirealschule war,23 findet das Ehepaar in der Karlstraße eine
Wohnung.

An die Hoffnung, daß man trotz aller Schikanen wird ausharren können, klammern
sich also viele. Jedoch, die Wendung zum Schlechteren folgt rascher als erwartet. In
der Nacht vom 9. zum 10, November 1938 geht die Freiburger Synagoge in Flammen
auf. Morgens um 7,00 Uhr stehen zwei Polizeibeamte vor der Tür. Max Frank
wird verhaftet, ins Gefängnis eingeliefert und von dort am Abend mit 136 anderen
jüdischen Freiburgern, unter ihnen Siegfried und Wilhelm Hauser, nach Dachau in
das KZ deportiert.24 Ein weiterer Leidensgenosse, der Kaufmann Max Mayer, der
sein Lederwarengeschäft in der Schusterstraße hatte, hat die entwürdigende und
demütigende Behandlung in Dachau beschrieben. Daß ihm der Kopf geschoren
wurde wie einem Verbrecher, verwundete ihn tief, ebenso die Häftlingskleidung mit
dem Davidstern und die Art und Weise, wie die SS mit den Gefangenen umging:
„Eine Mißhandlung auch ohne Mißhandlung: Diese humanitätsfeindlichen Gesichter,
die Mütze herausfordernd über den Kopf gestülpt, die Beine standpunkt-strotzend
in Schaftstiefeln steckend, die begeisterten Exekutoren jeder befohlenen Gewalthandlung
."25

Nach einigen Wochen werden die Inhaftierten aus Dachau entlassen. Viele haben
nun jede Illusion verloren, daß in Freiburg ein Weiterleben möglich sei und gehen
sofort in die Emigration. Bei einem letzten Treffen auf dem Karlsplatz beschwört
Wilhelm Hauser vor seiner Abreise nach Frankreich und dann weiter nach England
seinen Bruder Siegfried und dessen Frau Lina, nun endlich ebenfalls energische
Schritte zur Ausreise zu unternehmen - zumal deren drei Kinder inzwischen alle
nach Palästina emigriert sind.26 Das Ehepaar zögert gleichwohl. Am 4. April 1940
noch schreibt der Schwiegersohn Heinz Lesser aus Palästina an Wilhelm Hauser:
„Mit gleicher Post hatten wir Post von den Eltern. Wir können ihr Verhalten nicht
ganz verstehen. So wie Du mir schon vor Monaten schriebst, so hatten sie doch Aussicht
rauszukommen. Sie scheinen die Sache aber nicht weiter verfolgt zu haben und
denken an sichere Aussichten. Wer kann die heutzutage geben?"27

In der Fremde in fortgeschrittenem Alter mit geringen Mitteln28 einen Neuanfang
zu wagen, das wird auch Max Frank gescheut haben - wobei erschwerend hinzukam
, daß er die großen bürokratischen Hindernisse, die einer Emigration entgegen
standen,29 ohne jede verwandtschaftliche Beziehung und familiäre Hilfe hätte überwinden
müssen. So kehrt er nach der Entlassung aus dem KZ Dachau in die Glü-
merstraße 31 zurück, in jenes Haus, in dem er als Untermieter wohnt Dort leben
noch weitere jüdische Mitbürger, wie die ledigen Geschwister Breisacher: Karoline,

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