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ihn nicht freigelassen hatte. Die Gestapo Berlin16 habe ihm geschrieben, er gefährde
„nach dem Ergebnis der staatspolizeilichen Feststellungen durch sein Verhalten den
Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates, indem er dadurch, daß er sich als
Beamter der Polizei ausgibt, das Vertrauen der Bevölkerung zu den Organen des
Staates erschüttert". Nun war ihm klar geworden: „Luis, wäre ich an dem Sonntag
lieber bei Dir geblieben oder auf den Kandel gegangen und Beeren geholt, als so
einen dummen Streich zu machen, was ich ja nicht so gemeint habe (und) jetzt mein
Lebtag lang daran büßen muß." Geradezu verzweifelt beschwor Birmele seine Frau,
ihn möglichst rasch noch einmal zu besuchen und ihm den Ehering sowie ein
Bildchen mitzubringen, „daß ich doch ein kleines Andenken habe". Denn: soeben
hatte er erfahren, daß er in das KZ Dachau verlegt werde - „nicht weit von dort, wo
ich anno 34 den Arbeitsdienst mitgemacht habe; wer hatte das geglaubt, daß ich einmal
dahin komme, bin als öfters daran vorbei gelaufen und habe gesungen und gejohlt
"."
Nach Zwischenaufenthalten im Gefängnis Karlsruhe vom 18. bis 25. September
sowie in der Haftanstalt Augsburg vom 28. September bis 7. Oktober wurde Reinhold
Birmele am 8. Oktober 1942 mit der Häftlingsnummer 37198 in Dachau eingeliefert
.18 Er meldete sich am 18. Oktober bei seiner Frau in der Hoffnung, daß
alles wieder gut werde. Immerhin gebe es hier eine Kantine, in der er im Monat für
40 Mark einkaufen könne, „wenn ich welches habe und verbrauchen kann". Luise
möge ihm doch bald schreiben, denn er „habe so Heimweh nach Dir". Ob er einen
Antwortbrief erhalten hat, wissen wir nicht. Schon am 2. November 1942 wurde er
in das KZ Neuengamme bei Hamburg „überstellt".19 Warum bereits nach so kurzer
Zeit eine Verlegung erfolgte, kann nicht geklärt werden. Möglicherweise lag eine
Anforderung aus Neuengamme vor, da 1942 auf dem dortigen Lagergelände der Bau
von Firmen begann, die im wesentlichen Rüstungszwecken dienten. Dafür wurden
zusätzliche Arbeitskräfte benötigt. Im selben Jahr sanken allerdings die Verpflegungssätze
für die Häftlinge, so daß sich deren Existenzbedingungen zunehmend
verschlechterten. Die Sterblichkeit stieg drastisch an.
Birmele erhielt die Häftlingsnummer 11328. Am 15. Dezember 1942 schrieb er
seiner Frau eine Postkarte, aus der hervorging, daß er im Block 3 untergebracht war:
„Liebe Frau, wie geht es Dir, hoffentlich gut, mir geht es so weit auch recht, was ich
von Dir auch hoffe, und zu Hause ist alles auch noch in Ordnung. Luis, sei doch so
gut und schreibe mir einmal, wie es allen geht. Auch Lebensmittelpakete kann ich
unbeschränkt von Dir Lulu empfangen. Lege mir auch ein paar Briefmarken bei, und
von meinem ersparten Geld kann ich auch ein kleinwenig brauchen. Auf Wiedersehen
Lulu, bleibe gesund, und auch ein frohes Weihnachtsfest."
Doch das Weihnachtsfest wurde nicht froh. Der Brief klang schon nicht mehr wie
früher, die Schrift war kaum lesbar. Kurz vor dem Heiligen Abend erhielt Luise Birmele
auf dem Kollnauer Rathaus die Nachricht vom Tod ihres Mannes. Der Neuengammer
Lagerkommandant teilte ihr mit einem Schreiben vom 23. Dezember mit,
daß Reinhold Birmele am 21. Dezember 1942 im Krankenbau des Lagers „an Versagen
von Herz und Kreislauf bei Magen- und Darmkatarrh verstorben" sei. Die beiliegende
Todesbescheinigung bestätigte diese Angabe und gab die Todesstunde mit
12.30 LIhr an. Vielleicht gab sich Frau Birmele mit dieser Auskunft nicht zufrieden,
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