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seine Witwe eine Entschädigung erhielt. Am 15. Oktober 1945 wurden zum erstenmal
ihre Personalia erhoben und die Umstände des „Falles" erfragt.23 Zahlreiche
weitere Formulare, auf denen Frau Birmele detailliert über ihre Arbeits- und Vermögensverhältnisse
sowie über die durch den Tod des Mannes entgangenen Einkünfte
Auskunft geben mußte, sollten folgen. Luise Birmele, geboren am 2. September
1912, war nach verschiedenen Arbeitsplätzen als Dienstmädchen in der
Firma Gütermann als Seidenarbeiterin eingestellt worden»24 Während sie als Grund
für dessen KZ-Aufenthalt seine „nichtnationalsozialistische Einstellung" anführte,25
teilte ein Mitglied der „Betreuungsstelle" Emmendingen für die Opfer des Nationalsozialismus
, der offenbar selbst verfolgt gewesen war, am 29, Januar 1946 mit,
Birmele sei zwar „sehr wahrscheinlich (...) auf gewaltsame Art beseitigt", hingegen
„nicht aus polit. Gründen, sondern wg. Amtsanmassung verhaftet u. verurteilt" worden
. Anscheinend sollte der Kreis der „politisch Verfolgten" eng begrenzt werden,
vermutlich, um daraus auch besondere Ansprüche ableiten zu können.
Jedenfalls war hier schon das Muster der künftigen Argumentation angelegt.
Durch einen Beschluß vom 1. Juli 1946 hatte Frau Birmele als „ehemlg. pol. Verfolgte
" eine „laufende Barunterstützung von RM 99,50 monatl." zugesprochen erhalten
. Obwohl die Kollnauer Ortsverwaltung am 9. Juli die Auszahlung anordnete,
protestierte wenige Tage später der juristisch geschulte Kollnauer Bürgermeister
Georg Schindler.26 Birmele sei wegen Amtsanmaßung, nicht aus politischen Gründen
in das KZ gekommen. Wie sehr er noch vom Denken der gerade zu Ende gegangenen
Zeit beeinflußt war, zeigt sein gleichzeitiger Widerspruch gegen eine Entschädigung
für einen Soldaten, der wegen Volltrunkenheit in ein KZ eingeliefert
worden war: Er habe „in betrunkenem Zustand vielleicht staatsgefährliche Aeusse-
rungen gemacht". Kühl stellte der Sachbearbeiter zu Birmele richtig: „Normalerweise
wäre er ja nicht ins K. Z. gekommen, deshalb Anerkennung." Diese eigentlich
selbstverständliche Sichtweise konnte sich jedoch letztlich nicht allgemein durchsetzen
. Der Stein war ins Rollen geraten. Die Badische Landesstelle in Karlsruhe begann
eine Überprüfung des Falles und forderte Belege. Was hatte Frau Birmele
schon vorzuweisen außer der letzten Karte ihres Mannes, auf der natürlich nichts von
einer Haft aus politischen Gründen vermerkt war. Der Emmendinger Sachbearbeiter
versuchte zu retten, was zu retten war. Man könne nicht ausschließen, daß Birmele
„sich pol. Äusserungen zu schulden kommen Hess. Pol. ist der Fall nicht, jedoch
kann er als ,Opfer* gerechnet werden und die Frau unterstützt werden, da sie in
armen Verhältnissen lebt." Ein selbsternannter „Lagerspezialist" gutachtete dagegen,
die von Frau Birmele erwähnte politische Abteilung, in der ihr Mann inhaftiert gewesen
sei, sei nichts anderes als „Büroräume der Gestapo" gewesen, die man so genannt
habe und wo natürlich alle Gefangenen einmal hätten vorsprechen müssen.
Und als dann noch der Landesstelle die Vorstrafen Birmeles bekannt wurden, war
die Angelegenheit erledigt: Am 19, September 1946 mußte die Emmendinger Zweigstelle
der Witwe mit dem Ausdruck des Bedauerns mitteilen, daß ihr Mann nicht als
Verfolgter anerkannt werden könne. Immerhin durfte sie die bereits erfolgten Unterstützungszahlungen
„als Beweis der Hilfsbereitschaft" behalten.
Gewiß kann aus dem Schreiben vom 23. Dezember 1942, das als Absender die
„Politische Abteilung" des Lagers vermerkte, nicht ohne weiteres geschlossen wer-
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