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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
119.2000
Seite: 202
(PDF, 35 MB)
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die am Körper Deutschlands vorgenommen wird." - „Die Stadt Immanuel Kants
gehört zu Rußland. Die Heimat von Jakob Böhme, Angelus Silesius, Eichendorff soll
nun polnisch reden. Kann die Zusammenpressung in ein soviel kleineres Wohnbecken
von einem Volke überhaupt ertragen werden, das lebensfähig bleiben soll?"
Guttmann bejahte diese Frage, schließlich sei dies das Ergebnis der „hinter uns liegenden
Periode des Größenwahnsinns". Doch: „Das Schrecklichste ist, was mit den
Menschen geschieht. Man entfernt sie aus den Wohnsitzen, in denen sie geboren
wurden. Hier im Westen hat man über allerhand Mißstände zu klagen, aber wenige
stellen sich vor, was in den weiten Flächen an der Oder und Weichsel und auch in
der Tschechoslowakei vorgeht. [...] Freilich wird man von draußen her zurechtgewiesen
, wenn man an das Wort Menschlichkeit erinnert in einem Lande, in dem
diese Menschen zwölf Jahre lang schalten konnten. ,Ich werde ausrotten4, sagte Herr
Hitler, jetzt wird das Deutschtum ausgerottet, länderweise, zur Vereinfachung der
politischen Situation." Von dieser Erkenntnis aus resümierte er für die Zukunft: „Ein
anderes Denken wird in dem zerstampften Europa endlich Macht gewinnen, oder
Europa wird gänzlich zur Wüste... Ein anderer Begriff vom Menschen, die Erneuerung
des Menschtums selbst, das möchte wohl unter allen Programmen und Konferenzbeschlüssen
die wichtigste Forderung sein, und es ist eine, mit der der einzelne
bei sich selbst zu beginnen hat."

An Guttmanns Artikel zeigte sich, was Reifenberg damit gemeint hatte, „deutsche
Sorgen" anzusprechen: Guttmann bewies trotz der komplizierten Informationslage
einen erstaunlichen Klarblick und berührte gleichzeitig „Tatbestände, ... die später
über Jahre hinweg tabuisiert waren".114 Als die Druckfahnen dieses Artikels dem
französischen Presseoffizier in Baden-Baden vorgelegt wurden, soll er ausgerufen
haben: „Das hat ein echter deutscher Patriot geschrieben!"115 Er ließ sie dennoch
passieren. Das gemeinsame Konzept der Zeitschrift hatte eine erste Nagelprobe bestanden
.

Ernst Benkard: Requiem

Unter dem Leitmotiv des Requiems erinnerte Ernst Benkard an Erlebnisse während
der Luftangriffe und ging dann auf die Verluste an Kulturgütern in Folge des Luftkrieges
ein: „Nicht allein, was persönlicher Erinnerung teuer, auch was geschichtlichem
Gefühle erfürchtig gewesen, hatte keine Schonung zu erwarten gehabt. Gotteshäuser
, in denen man die früheste Andacht kennengelernt hatte, starrten als Skelette
in den Himmel hinein. Plätze, die erhabenen Augenblicken unserer Geschichte
die Szenerie gestellt haben, waren in Ruinenkulissen verwandelt worden. Ohne
Glück werden die Nachfahren nach den Orten forschen, an dem ein guter Genius das
Licht der Welt erblickt oder in gesegnetem Wirken seine Tage vollendet hatte."

Doch ähnlich wie Guttmann vergaß auch Benkard nicht, diese Zerstörungen mit
dem zuvor Geschehenen in Verbindung zu setzen: „Wir, die wir über solchen Untergang
und Verlust zu klagen haben, meinen, die Stimme nicht überhören zu können
, die sich gegen Väter und Söhne, gegen das geduldete Wuchern einer Despotie
in der Zeit anklagend erhebt." Unmißverständlich erinnerte er daran, daß nur eine
Minderheit bereit war, „die Folgen für ihre nicht verschwiegenen Überzeugungen,
ein Martyrium unter organisierter Tortur, auf sich zu nehmen", zahlreiche Verbrechen
dagegen unter dem Beifall oder auch nur stillen Dulden der Massen und Eliten

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