http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2000/0207
„... mit viel Glück, aber auch mit manchem Ärger"124
Nach der Zustimmung, die die Redaktion von ihren Lesern erfuhr, war der Start der
Gegenwart durchaus erfolgreich. Dies läßt sich auch an der Auflage ablesen: Erschien
das erste Heft noch in 100.000 Exemplaren, so lagen für das zweite Heft
bereits vorher 135.00 Bestellungen vor,125 und in der folgenden Zeit kletterte die
Auflage bis auf 220.000 Exemplare.12*
Dennoch sah sich die Redaktion auch weiterhin vor fast unüberwindbare Hindernisse
gestellt, die zusammengenommen ein interessantes Bild der Zustände und Alltagsprobleme
im Nachkriegsdeutschland ergeben: Die Redaktionsräume in Freiburg
waren sehr beschränkt: neben den Räumlichkeiten in der Grünwälderstraße hatte
man für die Redaktion notdürftig ein Zimmer in Ernst Benkards Wohnung angemietet
. Doch bis auf Benkard und Reifenberg, der in Freiburg ein Zimmer in der
Wohnung des Geheimrates Schulze-Gaevernitz in der Schwaighofstraße hatte,127
wohnte keines der Redaktionsmitglieder am Ort, so daß man auf die nur einmal monatlich
stattfindenden Treffen der Herausgeber angewiesen war. Dennoch: „Die seltenen
Konferenzen wurden um so gewichtiger, die wiedergewonnene Freiheit des
Redens und Schreibens hatte bei aller Nüchternheit des Planens wohl lange etwas
von einem Rausch."128
Der Briefverkehr dauerte in dieser Zeit selbst auf kurze Distanzen sehr lange.129
Zwischen dem Eingang und Abdruck von Manuskripten vergingen noch Ende 1946
„infolge von vielen Abhängigkeiten stets Wochen und Wochen".130 Die Auslieferung
der Hefte verlief schleppend, oft gingen ganze Sendungen verloren, wie aus der
Klage des in München lebenden Prof. Hans Orlowski zu entnehmen ist: „Von der Gegenwart
habe ich bis jetzt einzig und allein nur Heft 2/3 erhalten und Sie können sich
meinen Verdruss vorstellen darüber, dass Ihre weiteren Sendungen, für die ich Ihnen
trotzdem herzlich danke» scheinbar in Verlust geraten sind. Ich bin sehr verärgert darüber
, zumal mich die Zeitschrift so außerordentlich interessiert."131 Auf Grund von
„ausserordentlichen Verkehrsschwierigkeiten" durch das Winterwetter und einigen
„Hemmungen in der Papierversorgung"132 mußte man die Zeitschrift ab Nummer 2/3
monatlich als Doppelheft erscheinen lassen, ein Zustand, der, wie Reifenberg Ende
Januar 1946 zurecht bezweifelte,133 nicht mit dem Märzheft 1946 behoben werden
konnte. Doch die genannten Gründe waren auch nur die halbe Wahrheit: In Wirklichkeit
hatten die französischen Behörden auf der Herausgabe von monatlich erscheinenden
Doppelheften bestanden, denn „die Halbmonatsschrift gab der Zensur,
die in einem kritischen Augenblick auch von Paris ausgeübt wurde, zu wenig Bedenkzeit
".134 Ein großes Problem für den Vertrieb blieb lange Zeit, daß die Überweisung
von Geld zwischen den vier Besatzungszonen nicht möglich war und man sich
deswegen mit Konten in Frankfurt a.M., Stuttgart, München, Düsseldorf und Hamburg
behelfen mußte.135 Einer Erhöhung der Auflage stand die Papierkontingentierung
entgegen, und so mußte manchem Interessierten mitgeteilt werden, „daß ein
Abonnement nicht zur Lieferung kommen werde, da Kontingentierung vorliege".136
Besonders schmerzlich war für die Redaktion, die sich von Anfang an zum Ziel
gesetzt hatte, unter anderem durch den Bezug ausländischer Zeitungen, den Anschluß
an die internationale Presse zu finden,137 daß man, besonders von amerikani-
205
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2000/0207