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scher Seite, für längere Zeit eine Mitarbeit verweigerte. 1947 klagte Oeser, er habe
gehofft, „über die wirtschaftlichen Vorgänge und den Gesamtausblick in den Vereinigten
Staaten und in anderen fremden Ländern Aufschlüsse zu bekommen, weil ja
auch wir uns, in der Gegenwart, nicht dauernd mit der deutschen Selbsterkenntnis
befassen wollen, sondern auch einmal einen Blick in die Hexenküche außerhalb tun
möchten. [,..] Aber keiner wagt es, offen mit uns zusammenzuarbeiten."138 Diese
Verweigerung ging noch immer auf den Einfluß einiger Offiziere der „Information
Control Devision" in Frankfurt zurück, denen, wohl in Verkennung der tatsächlichen
Möglichkeiten der deutschen Presse während des „Dritten Reiches", der Fortbestand
der Frankfurter Zeitung 1933-1943 als Anachronismus erschien, und die allen Wiederbelebungsversuchen
seitens der früheren Redaktionsmitglieder nach wie vor ablehnend
gegenüberstanden.139
„... von Zensur beanstandet": Die französische Pressezensurm
Guttmanns Artikel über „Deutschlands zukünftige Grenzen" hatte die Zensur 1945
mit einem zugekniffenen Auge passieren lassen. Diese Form von Toleranz bildete
zwar die Grundlage für das Verhältnis zwischen Redaktion und französischer Besatzungsmacht
. Dennoch waren die französischen Pressebehörden nicht bereit, jeder
Form von Meinungsäußerung zuzustimmen. Von den abgelehnten Artikeln sind
größtenteils nur die Titel bekannt, trotzdem ist es aufschlußreich zu betrachten, bei
welchen Themen die Zensur Grund zum Einschreiten sah: 1946 waren es z.B. die
Aufsätze „Demokratie und Presse" (zweimal zurückgewiesen) und „Rationen in
Rußland" von Bernhard Guttmann, „IG Papiere eingefroren" von Albert Oeser und
Artikel mit Titeln „Kriegsgut", „Zwischenfall" und „Kriegsgefangene" von Robert
Haerdter, letzterer wegen Heardters Bezug auf die Genfer Konvention, die abgelehnt
wurden. Guttmanns Aufsatz „Wann es anfing" im Heft 8/9 passierte die Zensur „mit
großen Streichungen". Abgelehnt wurden auch Ernst Benkards Artikel „Sixtinische
Madonna", der an das zu dieser Zeit aus der Dresdner Galerie nach Moskau verbrachte
Bild Raffaels erinnerte,141 sowie „Dichtung" von „Roosevelt", da der „Name
des Autors nicht erwünscht" sei. - Es handelte sich bei diesem Pseudonym um den
in Lenzkirch lebenden ehemaligen deutschen Botschafter in Washington, Hans-
Heinrich Dieckhoff, der 1938 nach der Reichspogromnacht nach Berlin zurückberufen
worden war.142
Wenn eine Analyse der Pressezensur nur auf Grund der Titel - ohne die Auswertung
von Manuskripten mit gestrichenen Passagen oder wenigstens einer genaueren
Inhaltsangabe - auch nur beschränkt aussagekräftig ist, so ergibt sich daraus doch,
daß sich die Bedenken der Franzosen vor allem gegen eine allzu freimütige Behandlung
sensibler Themen richtete, wie sie der Umgang mit Kriegsgefangenen, die
Verwaltung des IG Farben»Vermögens, „Beutekunst" oder die Diskrepanz zwischen
erwünschter Demokratie und unerwünscht offener Presse darstellten. Die französischen
Pressestellen hatten die freiheitlichen Grundsätze Benno Reifenbergs zwar
geachtet, „doch waren sie betroffen von der in der Gegenwart geführten freimütigen
Sprache".143 Daß diese ihre Grenzen hatte, wollte man die Redaktion offenbar bewußt
spüren lassen. Seitens der Herausgeber versuchte man hier mildernd einzugreifen
, indem man die Artikel nach Möglichkeit persönlich nach Baden-Baden
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