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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 216
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entwurf und zum Plenarbeschluss eingeschlossen, also zusammen nicht einmal vier
Wochen. Denn auch die Termine wurden von der Besatzung bestimmt, wie übrigens
auch in den anderen Zonen.

Insgesamt dienten die französischen Interventionen der Stärkung des demokratischen
Elements, der Selbstverwaltung und der Grundrechte. Grundsätzlich lag dies
in der Linie der jetzt maßgebenden deutschen Politiker. Ein hohes Maß von Gemeinsamkeit
mit der Besatzungsmacht ergab sich daraus, dass die Rechtsinstitute
und Prinzipien, die sich in der badischen Verfassungsgeschichte herausgebildet hatten
, westlichem Staatsdenken entsprangen, wie es in Jahrhunderten in England,
Frankreich und Amerika gepflegt und auf dem Wege über Frankreich nach Baden
gelangt war. Die freiheitlich rechtsstaatliche Ordnung, der man nun zustrebte, konnte
keine besseren Vorbilder finden als die historischen Ordnungen jener Staaten.

Baden hatte sich schon 1818 mit der Einführung seiner Repräsentativverfassung
als einziges der deutschen Länder im Frühkonstitutionalismus französischen Vorbildern
angelehnt. Im Kampf um die Volksrepräsentation, das „heiligste Volksrecht",
waren es neben Kant als „Gewährsleute" Montesquieu und Rousseau, bei denen man
die entscheidenden Denkansätze suchte. Anregungen von französischer Seite konnten
sich also immerhin auf eine ernsthafte historische Legitimität stützen.

Nicht nur die französische Revolution, auch die spätere Entwicklung in Frankreich
, der Juliaufstand 1830 stärkten die liberalen und demokratischen Kräfte in Baden
, und dies auch im überwiegend katholischen Süden des Landes. Schon 1831
kam ein liberales Pressegesetz zustande, das unter dem Druck des Deutschen Bundes
wieder preisgegeben wurde. Aber erst 1919, zugleich mit der Weimarer Verfassung
, erreichten die Grundrechte und Grundpflichten größere Wirkungskraft. Gemessen
an dieser Übereinstimmung im Grundsätzlichen wirken die von der Besatzung
geforderten Änderungen teilweise beinahe geringfügig und peripher.

Mit demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen schwer in Einklang zu
bringen war die von den Alliierten angeordnete und reglementierte, aber von den
Deutschen durchzuführende Entnazifizierung. Liberale Prinzipien auf diese Verfahren
anzuwenden, von denen 30 bis 40 % der Bevölkerung unmittelbar oder mittelbar
betroffen waren, konnte nicht gelingen, eine schlechte Voraussetzung für das zu
schaffende Vertrauen in eine neue Ordnung. Die Gefahr, dass die Tätigkeit der
Spruchkammern als politische Gerichtsbarkeit angesehen wurde, belastete diese
schwer. Der Widerspruch klaffte zwischen Ideal und Wirklichkeit.10 Auch die zeitweise
vertretene These von der Kollektivschuld des deutschen Volkes für die begangenen
Verbrechen widersprach dem Gerechtigkeitsgefühl.

Wie bei der Entnazifizierung konnte der rechtsstaatliche Charakter auch der Nürnberger
Prozesse wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen
Zweifel erregen. Aber die Staats- und völkerrechtlichen Implikationen dieser von den
Siegern mit hohem moralischen Anspruch geführten Verfahren, die in der Geschichte
ohne Beispiel waren, bewegten die Bevölkerung nicht in gleichem Maße. Charakter
und Ausmaß der im Namen des deutschen Volkes begangenen Verbrechen wurden
erst allmählich erkannt. Berichte aus Quellen der Besatzungsmächte wurden skeptisch
aufgenommen.

Die Bereitschaft wuchs, das Trennende zwischen den Völkern zu überwinden, die

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