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Das Gnadenbitten
Während der Verhöre der vier Haupttäter und der anderen Verhafteten traten bald
Fürbitter für einige der Gefangenen auf. Die Fürbitte war insbesondere bei drohenden
Leibes- und Lebensstrafen ein übliches Vorgehen, um die Abmilderung der Bestrafung
und ihre Durchführung in möglichst nicht ehrverletzender Weise zu erreichen52
. Neben der Angst um den Inhaftierten trieb die Fürbitter dabei aber auch die
Sorge um ihre eigene Ehre an, die durch Vollzug einer entehrenden Strafe an ihrem
Verwandten, Freund oder Zunftgenossen angegriffen werden konnte. Daher wurde
in der Fürbitte neben mildernden Umständen, die in der Person des Gefangenen begründet
lagen, auch oft auf die hohe Stellung der Fürbitter, deren Anzahl u.ä. hingewiesen
.53 Beispielhaft zeigt sich dies bei Hans Widenmeyer, für den am 24. Juli
1602 rund 40 Personen - seine Geschwister, Schwäger und Freunde - ganz demüt-
tig Vnderthänig vnd/hochflehentlich gebetten54 haben. Sie führten die Verdienste des
Vaters um Rat und Bürgerschaft an und baten um eine besondere Behandlung vor
Gericht, um den ehemaligen Obristmeister und die Freunde zu schonen. Der Rat
blieb höflich-distanziert, beschied die Fürbitter, man werde nach Möglichkeit die
Strafe mildern, versäumte es aber nicht, die Bitter auf die Schwere der Tat hinzuweisen
. Später baten noch zwei weitere Bekannte Widenmeyers für ihn. Mehr Erfolg
hatte die Fürbitte für den Schlosser Othmar Häffele, die vom Kirchzartener Vogt
im Namen der gesamten Gemeinde geleistet wurde55. Häffele wurde daraufhin freigelassen
und bat wenige Tage später erfolglos für seinen Sohn. Freunde und Vertraute
Hans Scherers sowie die Äbtissin eines Konvents baten den Freiburger Rat,
sich in Ebnet für das Leben des Baders einzusetzen und boten dafür an, Scherer den
angerichteten Schaden zurückzahlen zu lassen. Der Rat lehnte dieses jedoch ab. Für
den Schreiner Steffen Mänen baten dessen Frau und deren Vater.
Eine Sonderform des Gnadenbittens beunruhigte den Rat Ende Juni sehr. Ihm waren
die Äußerungen der Tochter eines Georg Müller zu Ohren gekommen, die vor
ihren Freundinnen davon gesprochen habe, wo khünfftiger Zeitt der gefangen Hiero-
nimus Widenmeyer sollte Zum Todt Verurthailt vnd hinauß gefürtt werd[en] wöll sye
den strickh abhawen, Jne erlößen vnd demnach Zur Eh haben56. Als Grund hatte sie
angegeben, Widenmeyer seye ein hübscher mensch seye schad, wan man Jn richte51.
Das Losbitten auf der Richtstatt war in Deutschland ein Recht, das von den weiblichen
Zuschauern einer Exekution immer wieder in Anspruch genommen und stets
heftig von der Obrigkeit bestritten wurde, was mitunter zu tumultartigen Szenen
führte und die Hinrichtung des Delinquenten unmöglich machen konnte.58 Der Rat
ließ sofort die Freundinnen des Mädchens befragen, kam aber schon am 1. Juli 1602
zu dem Schluss, dass das Mädchen die Aussagen nicht ganz ernst gemeint habe,
denn die Untersuchungen in dieser Sache wurden eingestellt.
Urteile und Strafen
Ende Juli 1602 waren die Verfahren gegen die Nebenfiguren des Falles abgeschlossen
und fast alle wieder auf freiem Fuß. Die dabei verhängten Strafen zeigen einen
Ausschnitt aus dem Sanktionsrahmen, welcher der frühneuzeitlichen Justiz zur Ver-
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