Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
121.2002
Seite: 62
(PDF, 49 MB)
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Jahre alt waren, sogleich öffentlich abgestraft werden. Auf welche Weise das geschehen
solle, wurde im Ratsprotokoll nicht vermerkt.27 Der Rat ließ seine Inquisitionsprotokolle
von einem berittenen Kurier dem Dekan der dortigen Juristenfakultät
überbringen, der sie dem versammelten „Collegium" vortrug und mit diesem diskutierte
.

Im ersten Gutachten wird der Fall des Inzests kurz rekapituliert, worauf sich eine
Anleitung zum weiteren Vorgehen bei der Untersuchung anschließt. Die Straßburger
sind nämlich der Auffassung, dass angesichts vieler noch unklarer Fragen, vor allem
aber, ob es sich bei den Handlungen Barthel Kühnlins nur um einen Versuch gehandelt
hat, mit dem Endurteil abgewartet, und die Fälle noch genauer untersucht werden
sollten, um endgültige Klarheit zu schaffen. Der Druck auf die „Inquisiten" soll
durch Drohungen merklich erhöht werden: „1. Wann ihre Herrl. und gunstl. nochmahlen
, ihn Bartel Kühnlin des vatters, sambt seinen dreyen kindern, dem söhn
Frantzen, und beyden töchtern Magdalen und Marien vorbescheyden, undt per cer-
tos deputatos ihnen sambt und sonders ihre verbrechen vorhalten und beweglichen
ermahnen ließen, sie Gott und der obrigkeit die ehre geben, und offenhertziges, jegliches
seine begangene mißhandlung erkhennen, und auff obrigkeitlichen befehl bekennen
, auch was eines undt das andere, von des andern Sünden wüste, ohne seiner
boßhafftig hinterhalten aussagn sollte. Welchem Vortrag, die bedrohung angehänget
werden, nemblichen, dass widerigen falls, die obrigkeit würde gemüßiget werden,
durch peinliche frage von ihnen die warheit zu erlangen: wie auch derjenige, so, dass
er die warheit vorsetzlichen verschweigen, über wiesen würde, mit harter straff angesehen
werden sollte etc. Undt II. dass solchem nach die personen alß dann wie-
derumb separiret, und jegliche absonderlich hierüber, und zwar etwas genau wer, und
mit gebührendem ernst, zwar güthlichen befraget werden sollten, jedoch dahienstel-
lend, ob der scharffrichter auch entzwischen auffzuwarten, und sich sehen zu lassen,
möchte beschieden werden, zumahlen wann das examen und sothane verhör an den
vatter und söhn kähme, weilen umb deren bekantnuß, es am mehresten zu thun".28

Zusätzlich erstellen die Gutachter für jeden der vier Beteiligten ein „Interrogato-
rium" (Fragekatalog). Bei den Fragen, die Maria Kühnlin gestellt werden sollen, fällt
auf, dass die Straßburger bemüht sind, der Jugend der Befragten und ihrer Unwissenheit
auf sexuellem Gebiet Rechnung zu tragen. So soll etwa gefragt werden, „4.
ob der vatter ihr nicht zuweilen, was mit heim bracht, oder sonsten ihr gekaufft und
geschencket, und was es gewesen? 5. Ob er sie auch sonsten lieb gehabt, und biß weilen
geküßet, und ob solches auch nachts im beth geschehen seye? [...] 12. Ob nicht
was roths, wie bluth von ihr gangen, und davorn ihr hembt oder das beth beflecket
worden? 13. Wann der vatter sie nass gemacht, woher solches kommen, und was der
vatter gethan?".29 Da sie sich sehr sicher sind, dass Barthel Kühnlin die Blutschande
mit seiner Tochter wirklich vollzogen hat, sind sie nachdrücklich der Ansicht, dass
ihm, wenn nötig, das Geständnis auch mittels der Tortur abgerungen werden solle.

Eigentlich fiel es nicht in den Kompetenzbereich von Gutachtern, in den Inquisitionshergang
einzugreifen, was auch den Straßburger Rechtsgelehrten sehr wohl bekannt
war. Unter Berufung auf den berühmten Rechtsgelehrten Jacques Cujas
(1522-1590)30 erklären sie, dass ihre Aufgabe eigentlich nicht darin bestehe, die
Indizien hervorzulocken, sondern lediglich auf deren Basis ein juristisches Urteil zu

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