http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2002/0135
Anlässen jeweils die nationalistischen gegenüber den ausgleichend gemäßigten
Kräften. Im Deutschen Reich geschah das als Resultat des sogenannten „Zwischenkriegszeit
-Patriotismus", dessen Intensität bei einer Reihe von Mitgliedern vor
allem der altpreußischen Großlogen dazu führte, den FZAS wegen dessen pazifistischer
Arbeit des „Vaterlandsverrats" zu bezichtigen. Bestimmender Faktor für das
Einfrieren der Kontakte auf Pariser Seite war die deutsche Annektierung Elsass-
Lothringens. Erst anlässlich einer Zufallsbegegnung auf einem internationalen
Logentreffen im Jahre 1900 im neutralen Luxemburg kam es zu einem Händedruck
zwischen einem deutschen Mitglied aus Metz und einem französischen Bruder aus
Nancy. Und doch sollte es weitere vier Jahre dauern, bis 35 Jahre nach dem Kriege
eine erste deutsch-französische Tempelarbeit in Metz zustandekam, zu welcher der
Stuhlmeister geladen hatte. Es folgten Besuche französischer Freimaurer aus Lyon
und Nancy bei der deutschen Bauhütte in Straßburg, und schließlich nahmen im Mai
1907 - erstmals seit 1870 - deutsche Logenbrüder aus Straßburg und Colmar an
einer Tempelarbeit der Franzosen in Nancy teil. Der Weg zu einer künftigen Verständigung
zwischen beiden Völkern, wenn auch zunächst auf niederer Ebene, erschien
den Beteiligten nunmehr begehbar.
Das noch im selben Jahr spürbare, unmittelbare Ergebnis des Mai-Treffens war
auf Anregung der Stuhlmeister in Nancy und Colmar die erste deutsch-französische
„manifestation" am 7. Juli in den Vögesen, und zwar genau an der Grenze des „Col
de la Schlucht" bei Anwesenheit von rund 400 Teilnehmern. Weil der Erfolg dieser
historischen Begegnung alle Erwartungen weit übertraf, einigte man sich auf deren
Fortsetzung, so dass bis 1913 fünf weitere stattfanden: am 5. Juli 1908 in Basel, am
4. Juli 1909 in Baden-Baden und damit erstmals auf deutschem Boden, am 9. Juli
1911 in Paris, am 25. Mai 1912 in Luxemburg und am 23. August 1913 in Den Haag.
Die siebte, für den 16. August 1914 in Frankfurt am Main vorbereitete Kundgebung
musste ausfallen, denn nur zwei Wochen zuvor hatte der Erste Weltkrieg begonnen
- erneut ein schwerer Rückschlag für die Verständigungsbemühungen zwischen
Franzosen und Deutschen. Nach dem Kriege beschloss erst wieder im Dezember
1924 ein Komitee in Luxemburg, die Internationalen Freimaurerischen Friedensmanifestationen
aufleben zu lassen. So fand die siebte in der Gesamtreihe schon vom
29. bis 31. August 1925 im schweizerischen Basel statt, wiederum auf neutralem
Boden, doch unter weitestgehendem Selbstausschluss aller regulären deutschen
Obedienzen, stattdessen mit erstmaliger Beteiligung von FZAS-Brüdern. In gleicher
Weise setzte sich das deutsch-französische Friedensprogramm mit der achten „manifestation
" in Verdun am 27728. Mai 1928 fort. Es folgte die neunte vom 18. bis 20.
Mai zu Pfingsten in Mannheim - hier zum zweiten Male in Deutschland,27 sodann
die zehnte vom 7. bis 9. Juni 1930 in Besan?on. Bereits diese stand ganz im Schatten
des New Yorker Schwarzen Freitags im Oktober 1929 und damit der beginnenden
Weltwirtschaftskrise sowie des Rücktritts der Regierung Müller28 im März 1930.
Auch ließen die spektakulären Wahlerfolge der Nationalsozialisten nicht lange auf
sich warten. Im Mai 1932 schließlich folgte als elfte Manifestation „im Namen des
Friedens und der universellen Bruderschaft" die Kundgebung in Freiburg im Breisgau
. Das Vorjahr 1931 hatte die deutsche Seite wegen interner Probleme des Bundes
auslassen müssen.
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