Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
121.2002
Seite: 154
(PDF, 49 MB)
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munistischen, marxistischen und pazifistischen Organisationen an den Hochschulen
", so die offizielle Sprachdiktion, bereits Ende März gemäß eines Erlasses des badischen
Kultusministers verboten worden, der sich wiederum auf die „Verordnung
des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933" berief
.25 An der Universität war allgemein bekannt, dass Fränzes politische Einstellung
bei weitem radikaler als diejenige ihrer Mutter war, sie also, so erinnert sich ihre ehemalige
Mitschülerin und langjährige Freundin Emilie Fexer, eher dem kommunistischen
als dem sozialdemokratischen Lager zuzurechnen war.26

Tatsächlich kam es im Sommer 1933 zu Relegationen politisch missliebiger Studierender
. Unter den Betroffenen waren überproportional viele junge Frauen. In den
meisten Fällen konnte ihnen die Mitgliedschaft in einer der inkriminierten Gruppen
nicht einmal nachgewiesen werden. Um auf eine „schwarze Liste" zu gelangen, genügte
oft eine bereits Jahre zurückliegende Sympathiebekundung, beispielsweise die
Unterschrift unter eine für AStA-Wahlen notwendige Vorschlagsliste der jeweiligen
Organisation. Da keine schriftlichen Unterlagen existierten, die Fränzes „Verfehlungen
" hätten beweisen können, durfte sie - zunächst - an der Universität bleiben.27

Daneben hatte Fränze im Sommer 1933 mit schweren psychischen Belastungen
zu kämpfen: Zum einen musste sie sich einer Unterleibsoperation unterziehen, wobei
die Begleitumstände äußerst widrig waren: Der behandelnde Arzt hielt sie nämlich
anfangs für eine Simulantin, was ihre Mutter zu dem trockenen Kommentar veranlasste
: „(Er) will nichts finden, weil er sie nicht vom Wehrsport befreien lassen
will. Als nationaldeutscher, noch nicht geschmissener Jude schreibt er alle Studentinnen
k. V." Käthe Vordtriede hatte hier in der ihr eigenen sarkastischen Art eine Abkürzung
benutzt, die im Ersten Weltkrieg für viele das Todesurteil bedeutet hätte:
„kriegsverwendungsfähig". Als sich herausstellte, dass Fränze als „mitten im Examen
" stehend ohnehin nicht an dem von den Nationalsozialisten für Studierende eingeführten
Pflichtprogramm teilnehmen musste, konnte die dringend notwendige
Operation endlich vorgenommen werden.28

Zum anderen hatte sich Fränze damals in den „falschen" Mann verliebt. Ernst -
sein Nachname ist nicht bekannt - reiste eigens aus Tübingen an, um sie im Krankenhaus
zu besuchen. An ihren Bruder schrieb sie: Er „sitzt (...) an meinem Bett und
macht mir einen Antrag". Von Anfang an war allerdings auch klar, dass Ernst mit
dem Nationalsozialismus sympathisierte und aus einem „braunen" Umfeld stammte.
Dennoch berichtete Fränze voller Enthusiasmus: „Er will (...) versuchen, seine
schwankende politische Stimmung (...) zu festigen, im Notfall auch gegen seine
Familie zu stehen." Allerdings stand sie dieser Veränderung keineswegs blauäugig,
sondern durchaus skeptisch gegenüber. Dass sie mit ihrer Einschätzung richtig lag,
erwies sich offenbar innerhalb kürzester Frist, denn noch im selben Brief berichtete
Fränze über den Schock, den die Information, sie habe jüdische Vorfahren, in dem
jungen Mann auslöste: „Dann kam die Katastrophe: Er hatte ja schon genug zu
schlucken bekommen, (...) da zeigte ich ihm, wie lächerlich sein Gerede vom Instinkt
ist, der ihn sicher leitet, wenn einem das bewußte Zipfelchen fehlt! Er fiel aus
allen Himmeln. Daran kann also heute eine Liebe scheitern, nicht auf die Enkelin,
auf den Großvater kommt es an!"29 Wie recht Fränze mit letzterer Vermutung hatte,
sollte sich wenig später zeigen: Ernst schrieb ihr einen knappen Brief, worin er ohne

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