http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2002/0216
Deren Schwester Edith Axenfeld - die später bekannte Pianistin Picht-Axenfeld, damals
Geigerin am Musikseminar - wurde ebenso diffamiert wie das Ehepaar Kaller,
das zwar nicht jüdischer Herkunft war, aber wegen seiner modernen „entarteten"
Musik Anstoß erregte. Hauptleidtragender war jedoch Erich Katz, einmal als Jude,
zum anderen wegen der angeblich unsittlichen Texte seines Chorbuches. Seine einflussreiche
Stellung als Konzertkritiker der „Freiburger Zeitung" war dem „Alemannen
" ebenfalls ein Dorn im Auge. Weismann wurde schließlich ,empfohlen',
Doflein und Katz zu entlassen, wogegen er sich allerdings am 30. März 1933 entschieden
verwahrte. Er verteidigte die künstlerische Einstellung seiner beiden Kollegen
, die durchaus mit der „nationalen Richtung" konform gehen würde. Im übrigen
könne er eine Entlassung auch nicht aussprechen, da es sich beim Musikseminar
um eine private Gesellschaft handle. Oberbürgermeister Bender, der selbst schon
unter Beschuss stand, riet zur Vorsicht und empfahl, Doflein zu stützen und damit
implizit Katz zu opfern. Immerhin, argumentierte er, habe sich die Familie Axenfeld
den Dank der Bevölkerung erworben wegen der Verdienste des Universitätsprofessors
und Augenarztes Karl Theodor Paul Axenfeld.
Anders lag der Fall bei Erich Katz. Dieser renommierte Komponist und Musikwissenschaftler
stand schon 1931 im Blickfeld nazistischer Hetzkampagnen. Als im
April 1933 jüdische Lehrkräfte an Volks- und Fortbildungsschulen entlassen wurden
, beurlaubte' die Geschäftsführung des Musikseminars auch Erich Katz. Die
Stadt bezahlte ihm noch drei Monate lang ein Gehalt in Höhe von 90 RM.
Erich Katz, geboren am 31. Juli 1900 in Posen, war der Sohn des Uhrmachers
Albert Katz. Im Frühjahr 1918 legte er in Berlin das Kriegsabitur ab und ging
noch an die Front. Nach Kriegsende studierte er Physik und Chemie, dann Musikwissenschaft
, außerdem Philosophie, Literatur- und Kunstgeschichte in Berlin
und 1920 auch in Freiburg. Seine theoretischen Studien ergänzte er durch
ein praktisches Musikstudium. Ab 1923 lebte er ständig in Freiburg und wurde
Assistent von Prof. Dr. Gurlitt, bei dem er 1926 promovierte. Im selben Jahr heiratete
er die Pianistin Adelheid Soltau, mit der er drei Kinder hatte. Zunächst
arbeitete er als Privatmusiklehrer - ab 1928 mit staatlicher Anerkennung - und
gründete im Herbst 1926 zusammen mit Doflein und Kaller die Arbeitsgemeinschaft
der „Freiburger Kurse für Musiktheorie". Diese wurden 1929 zu
einem Seminar des Reichsverbandes Deutscher Tonkünstler und Musiklehrer
ausgebaut. 1930 firmierte er als einer der Gesellschafter des städtischen Musikseminars
. Seine Aktivitäten waren außerordentlich vielfältig: Seit 1923 war
er ständiger Musikreferent der liberalen „Freiburger Zeitung", daneben Berichterstatter
auswärtiger Zeitungen, Mitarbeiter bedeutender Fachmusikzeitschriften
, Chorleiter an der Volkshochschule Freiburg (1927-1929), schließlich
ständiger Dozent der Universität. Seine zahlreichen Kompositionen und Publikationen
wie „Die musikalischen Stilbegriffe des 17. Jahrhunderts" (1926),
„Das Neue Chorbuch" (1931), „Die Kammermusik" sind im Riemannschen
Musiklexikon aufgeführt. Er stand außerdem zahlreichen Gremien vor. Nach
seiner Entlassung 1933 brachte er sich als Organist an der Freiburger Synagoge
durch. Nach der Pogromnacht 1938 wurde er wie viele andere Juden ins KZ
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