http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2002/0227
ten auch die Singkurse und der Kindervolkstanzkreis nicht hinwegtäuschen. Bereits
im kalten Winter 1940 machte sich die Kohlenknappheit im ehemaligen Palais Gleichenstein
in der Werderstraße bemerkbar. Ein Teil des Unterrichts wurde ohnehin
weiter in den Privatwohnungen der Lehrer erteilt, da es noch an Schallisolierung
fehlte und auch nicht genügend Instrumente zur Verfügung standen. Das schloss allerdings
nicht aus, dass man die öffentliche Musikerziehung „einer seit langem notwendigen
Reform zu unterziehen" gedachte. Am 10. Juli 1940 erging vom Ministerium
die noch vertraulich zu behandelnde Mitteilung, dass eine „reichseinheitliche
Ordnung" vorgesehen sei, die aber erst nach Kriegsende zum Tragen kommen solle.
Auch vor der Musik machte die Gleichschaltung - oder wie die Nationalsozialisten
es ausdrückten, der „nationalsozialistische Totalitätsgedanke" - nicht Halt. Die Musik
war unbedingt der „Willkür privater Einflüsse und gewerblicher Interessen" zu
entziehen. Ihre Aufgabe sei die „musische Durchdringung des Volkslebens", spiele
doch die Musik eine bedeutsame Rolle im nationalsozialistischen Staat. Daher
wurde staatliche Aufsicht angestrebt, was den Machthabern zwar nicht in allen Ländern
, aber immerhin in Baden gelang. Freiburgs Musikschule galt sogar als mustergültig
und diente anderen Städten als Vorbild! Daher ließ die staatliche Anerkennung
nicht lange auf sich warten: Am 19. April 1941 wurde sie der Städtischen Musikschule
verliehen, die sich nun „Staatlich anerkannte Musiklehranstalt" nennen durfte
und zur Ausbildung von Musiklehrern berechtigt war. Das bedeutete zunächst aber
lediglich, dass die Institution unter der Aufsicht des Reichserziehungsministeriums
stand. Nicht alle am Musikseminar Lehrenden werden unter diesen Umständen froh
darüber gewesen sein. Das große Reformprogramm sah vor, dass künftig alle Musiklehrer
nur nach Ablegen einer staatlichen Prüfung unterrichten dürfen. In der Prüfungsordnung
für Musiklehrer wird beispielsweise bei Klavier als Pflichtfach verlangt
: „Musikalisch lebendiger und technisch einwandfreier Vortrag von drei
Stücken mittlerer Schwierigkeit; Ausführung leichterer Begleitungen aus der Literatur
des vom Bewerber gewählten Hauptfaches."
Die Musikseminare waren dem Ministerium allerdings suspekt: sie seien zu überprüfen
, damit die Studierenden nicht „mit totem Wissen" überfüttert würden. „Gegenüber
der früheren Überbetonung des Historischen führt sie [die Studenten] die
Ausbildung auf ihre wesentlichen methodisch-praktischen und künstlerischen Aufgaben
zurück." Was unter „künstlerisch" zu verstehen war, bestimmte natürlich das
Reichserziehungsministerium und die Reichsmusikkammer. Kompositionen von
Mendelssohn gehörten jedenfalls nicht dazu.
Die Stadt Freiburg, die allein 1940 einen Zuschuss von 59.200 RM leistete - staatliche
Anerkennung bedeutete nicht staatliche Finanzierung! - war mit dem bisher
Erreichten noch nicht zufrieden - sie strebte nach Höherem: Eine richtige Musikhochschule
wollte sie in ihren Mauern vorweisen können, mit einer Ausbildungsabteilung
für das künstlerische Lehramt an Höheren Schulen. Im Grunde war aber
1941 schon absehbar, dass ein solcher Aufbau trotz des bereits vorhandenen Musikwissenschaftlichen
Instituts der Universität nicht mehr realisierbar war, zumal auch
dessen bisheriger Leiter Müller-Blattau seit längerem nicht mehr in Freiburg weilte.
Durch die Errichtung neuer Musikschulen im Elsass wurden zudem viele Lehrer abgezogen
, die wiederum im rechtsrheinischen Gebiet fehlten. Die Antwort des Minis-
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