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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 88
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bürg und seine Bürger wandte. Die Stadtwechsler wurden ertappt, nachdem sie unter sträflicher
Überschreitung ihrer Kompetenzen einen erheblichen Teil der Einlagen des Stadtwechsels
in ein einziges Unternehmen investiert hatten. Straßburg lockte nun mit einer Möglichkeit,
den Schaden wieder gut zu machen, indem weitere Gelder nachgeschossen wurden. Dieser
Plan ging nicht auf, weil Felsens Partner in Genf, ein gewisser Hypolite Rigaud, seinen Verpflichtungen
nicht nachkommen konnte oder wollte. Als es darum ging, gegen Rigaud vor dem
Genfer Stadtgericht zu prozessieren,50 zog sich Straßburg rasch aus dem Konsortium mit Freiburg
zurück und hielt sich an den Freiburger und Schaffhauser Bürgschaften schadlos. Zum
schwachen Trost boten die Elsässer diplomatische Unterstützung der Freiburger Forderungen
gegenüber Genf an.51 Das heißt, Freiburg trug die Prozessrisiken nun allein, während Straßburg
durch Rückgriff auf die Bürgen wenigstens teilweise Ersatz für seine Ausfälle hatte. Freiburg
entschloss sich dennoch, den Prozess gegen Rigaud zu wagen, beschwerte sich aber bald
über die parteiische Justiz und musste sich auf Vergleichsverhandlungen einlassen.52 Der Beklagte
war zwar vermögend, es fehlte aber an Einfluss, um auf seine Güter mit Erfolg zuzugreifen
. Die Freiburger Hilflosigkeit wird wohl am besten in dem Umstand deutlich, dass Johann
Ulrich Morell trotz erwiesener Untreue noch eine gewisse Zeit für den Magistrat unverzichtbar
blieb. Vertraut mit den Genfer Gegebenheiten, reiste er wiederholt in diese Stadt, um
am Fortgang des Prozesses gegen Rigaud mitzuwirken.53 Als aber die Erfolgsaussichten immer
trüber wurden, leitete der städtische Anwalt vor dem Magistrat ein Verfahren gegen Morell
und Rieher wegen Untreue im Amt ein; die Delinquenten landeten 1605 im Kerker. Mit einer
Verurfehdung, d.h. der Anerkennung der Klage und dem Versprechen, sich nicht an seinen
Strafverfolgern zu rächen, wäre Morell als Handelsmann in seiner Existenz vernichtet gewesen
. Er schaffte es, als vorder- und oberösterreichischer Hoflieferant mit erzherzoglicher Unterstützung
letztlich, dieses Ungemach abzuwenden.54 Anton Fels, der mit seinem Konkurs die
Schulden- und Prozesslawine losgetreten hatte, konnte für alles nicht mehr zur Rechenschaft
gezogen werden. 1604 wurde dem Freiburger Rat der Tod des Bankrotteurs bekannt.55

Insgesamt scheinen die erheblichen Schwierigkeiten der savoyischen Kaufleute in Konstanz
, Freiburg und Lindau um 1600, die den faktischen Konkurs des Freiburger Stadtwechsels
verursachten, im Zusammenhang einer größeren Handels- und Absatzkrise zu stehen. Im
16. Jahrhundert hatten das BevölkerungsWachstum, Produktivitätssteigerungen, der Import
von Silber und andere Faktoren ein Wirtschaftswachstum erzeugt, das vor allem besitzenden
Schichten zu Gute kam, während der Wert der Arbeitskraft langfristig erheblich sank. Die Auswertung
der Augsburger und Konstanzer Steuerbücher zeigt, dass sich in dieser Situation auch
die sogenannten „welschen Krämer" teilweise zu veritablen Großkaufleuten entwickelt hatten
und, wenn man die Steuerzahlungen als Indikator nimmt, ihre Vermögen erheblich gesteigert
hatten. Steuerleistungen von Mitgliedern der Familien Fels und Morell lassen allerdings er-

50 StadtAF, B5 XHIa, Ratsprotokoll Bd. 42, fol. 409v f., Samstag 10.7.1604 u.ö.

51 StadtAF, B5 XHIa, Ratsprotokoll Bd. 43, fol 89r-90r, Montag 16.5.1605; fol. 158v f., Mittwoch 17.8.1605; fol.
180r-181r, Montag 5.9.1605; fol. 236r, Mittwoch 16.11.1605 u.ö.

52 Rigaud bot 22.600 Dukaten zu je 24 „h" an; nach: StadtAF, B5 XHIa, Ratsprotokoll Bd. 43, fol. 121r, Montag
22.6.1605; fol. 224r f., Freitag 4.11.1605. Später ist von 7.000 Dukaten bzw. 7.000 Kronen zu 24 „h" bzw. 11.200
fl die Rede. Ebd., fol. 316r-317r, Montag 6.3.1606.

53 Hans Ludwig Morell gestand zu, dass der Rat mit seinen Gütern tun könne, was von Rechts wegen zulässig sei,
protestierte aber, dass er als Gefangener die Sache gegen Rigaud in Genf nicht weiter betreiben könne und deshalb
für die Verluste des Wechsels nicht haftbar gemacht werden könne. Er bat, er möge den Erlös aus Waren,
die im Kaufhaus liegen und die von Straßburger Händlern stammten, diesen Händlern wieder zukommen lassen
können, damit khünffiig andere alhieige Krämer deßen nit zuentgelten haben. StadtAF, B5 XHIa, Ratsprotokoll
Bd. 43, fol. 171r, Montag 29.8.1605.

54 Zur Verurfehdung siehe StadtAF, B5 XHIa, Ratsprotokoll Bd. 43, fol. 190r f., Montag 12.9.1605; fol. 194r f.,
Mittwoch 14.9.1605.

55 StadtAF, B5 XHIa, Ratsprotokoll Bd. 42, fol. 433v, Mittwoch 11.8.1604.

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