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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 105
(PDF, 58 MB)
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sie natürlich außerhalb der Schulzeit wie alle Familienmitglieder voll im Betrieb mitarbeiteten
. Die schulentlassenen Jugendlichen dürften vermutlich darüber geschimpft haben, dass sie
bis dahin wie Hirtenbuben, Unterknechte oder Untermägde im Dienst standen und arbeiten
mussten, aber nicht dementsprechend bezahlt wurden. Solch einen Dienst kündigten sie dann
bei der erstbesten Möglichkeit auf, nämlich mit 14 Jahren nach der Schulentlassung.24

Es war schon Jahrzehnte vor bzw. auch nach 1840 normal, dass schulpflichtige Jungen ca.
ab 11 Jahren bei fremden Herren gegen Bezahlung als Hirten lebten und arbeiteten. Eine Trennung
von den Eltern vom Beginn der Schulpflicht an war eher ungewöhnlich.25 Die Erziehung
zur Arbeit hatte bei den so Erzogenen keine Dankbarkeit zur Folge. Die frühe Trennung von
ihren Eltern schon von dem ersten Schuljahr an und das gelegentliche Wiedersehen mit ihren
Eltern und kleinen Geschwistern im Kehr im Haus ihres „Wohltäters" dürfte ein Übriges dazu
beigetragen haben, dass der mehrjährige Erzieher, Hausherr und Arbeitgeber von den Kindern
nicht als Wohltäter angesehen worden war.

Das langjährige Unterbringen der schulpflichtigen Kinder bei einzelnen Mitbürgern hatte
sich in den Augen der Gemeindevertreter nicht bewährt. Als Konsequenz beschloss der Gemeinderat
im Juni 1840, die schulpflichtigen Kinder genau dorthin zu schicken, wo die jüngeren
Kinder und die Eltern schon waren: in den Kehr. Ob sie gemeinsam oder getrennt voneinander
Routen im Ort abliefen, bleibt offen. Eindeutig war jedoch die Abneigung der Gemeindevertreter
gegen die Gärtnerische Familie, insbesondere gegen die älteren Kinder: seine
schon entlassenen Kinder aus der Schule sind voller Roheit heimdikischer Gesinnungen sehr
unsitigen, u. von so diebischer Art, daß niemand solche als Dienstbothen anehmen will[.] ihre
Absicht ist nur ihmer dem ßeisigen Landmann das Blut aus den Flingern zu saugen, aus diesem
folgt also das es Arbeit scheue Leute sind. Der schlechte Ruf dieser Familie führte dazu,
dass die über 14-jährigen Gärtner-Kinder auf dem Arbeitsmarkt für Dienstboten nicht vermittelbar
waren. Damit sie nun nicht wieder der Gemeindekasse zur Last fielen, wollte der Gemeinderat
sich darum kümmern, dass sie Arbeit u Kost ja auf Lohn /.gerade so wie es andere
Dienstbothen es haben:/ erhalten, [...]. Eine Entlohnung ihrer Arbeit dürfte für diese Jugendlichen
eine Verbesserung gewesen sein. Um sie aber dem Einfluss ihrer angeblich arbeitsscheuen
Eltern zu entziehen, durften sie keinen Kontakt mehr zu ihnen haben. Falls der Gendarm
oder Ortspolizist sie bei ihren Eltern antreffen sollte, drohte dem Hauseigentümer, bei
welchem sie in Kehr waren, eine Geldstrafe. Den Eltern und den Kindern drohte in diesem Fall
eine Arreststrafe. Wer die über 14-jährigen Jugendlichen bei ihren Eltern sah und anzeigte,
sollte ein Drittel der Geldstrafe erhalten.

Die Lage für den Familienvater Jacob Gärtner blieb ungemütlich. Seine Beschwerde beim
Landamt hatte zu nichts geführt. Er und seine Familie mussten im Kehr verbleiben. Es
herrschte Kontaktverbot zu den über 14-jährigen Kindern. Bei Denunzierungen durch die Mitbürger
, die daran noch verdienen konnten, drohte Arrest. Eine Verbesserung seiner Verhältnisse
war nicht in Sicht. Als Ausweg aus dieser Situation sah er nur noch eine Möglichkeit: die Auswanderung
nach Amerika.26

Die Auswanderung

Auswanderung war zu dieser Zeit nichts ungewöhnliches. Die fünfeinhalb Jahrzehnte zwischen
Wiener Kongress und Gründung des Deutschen Reiches waren für Südwestdeutschland

24 GAB 575.

25 GAB 501: Klagesachen der Gemeinde Steig 1856-1903. 1886 betrug der Lohn eines schulpflichtigen Hirtenjungen
vom 15. April bis Jahresende 40 Mark plus 1 Paar Schuhe und eine Hose im Wert von insgesamt 10 Mark.
Hillard von Thiessen (wie Anm. 17), S. 107. Helmut Heitzmann gab den Hinweis, dass es noch in den 1940er-
Jahren in Breitnau üblich war, dass Hirtenbuben ab 8 Jahren eingesetzt wurden, wie er aus eigener Hirtenbubenerfahrung
weiß.

26 GAB 575.

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