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Zur Sicherheit wurde der abgeschlossene Vertrag noch einmal von einem Experten, vermutlich
einem Rechtsanwalt, überprüft. Der gab den Rat, sich die Vertragsbedingungen sowie
die Zahlung der ersten 600 Gulden vom Amt durch eine öffentliche Urkunde bestätigen zu lassen
. Dies sollte vom Amt Kenzingen durchgeführt werden, welches die Vermögensverhältnisse
der Maurers kannte. Bei so viel Absicherung konnte doch eigentlich nichts schief gehen. Der
Beamte des Großherzoglichen Amtsrevisorats Kenzingen bestätigte Fidel Faller und einem
Gemeinderat von Steig am 15. Mai 1841 wie gewünscht die Vertragsbedingungen und die erste
Zahlung. Sie erfolgte nicht in bar sondern in Form eines Wechsels auf ein Handelshaus in
Rotterdam. Kronenwirt Maurer bestätigte, den Wechsel und die 13 Personen in Empfang genommen
zu haben. Zur Beseitigung von neu aufgetretenen Schwierigkeiten bestätigte Maurer
zusätzlich, dass er bei der Einschiffung in Rotterdam Jacob Gärtner 50 Gulden Unterstützungsgeld
in bar geben werde.32 Trotz der vorgenommenen Rundumabsicherung wäre die Auswanderung
nämlich beinahe in Niederhausen gescheitert. Faller und der Gemeinderat hatten
die Familie als Bevollmächtigte der Gemeinde bis zum Rhein nach Niederhausen begleitet.
Dort erklärte die Familie, dass sie inzwischen die Abfahrt nach Amerika bereue und ohne ein
Unterstützungsgeld von 50 Gulden die Auswanderung nicht antreten werde. Ob dies nun
tatsächlich so war oder nur ein vorgeschobener cleverer Grund: Die beiden Gemeindebevollmächtigten
saßen in der Zwickmühle. Da in Steig niemand die Familie zurückhaben wollte,
gaben Faller und der anwesende Gemeinderat nach und genehmigten die zusätzlichen 50 Gulden
. Die Familie Gärtner trat daraufhin mit den Gebrüdern Maurer die Fahrt von Niederhausen
den Rhein hinab an.
Eine harmonische Schiffsreise auf dem Rhein war das nicht. Kronenwirt Maurer berichtete
nach Steig, dass die Familie sich in Köln nur zur Weiterfahrt bewegen ließ, als sie ihre Forderung
nach sofortiger Auszahlung der 50 Gulden erfüllt sah. Andernfalls solle er sie wieder nach
Hause liefern. Maurer schrieb über sie: ein Schandfolk ohne gleichen! auf meiner Reise haben
sie sich beinahe Gemordet und in Rotterdam noch desgleichen so das bei gleichen Fällen das
Schandfolk in Ketten geschlossen in die untersten Schiffsräume geworfen werden wird. Innerhalb
der 13-köpfigen Familie scheint es Reibereien auf der Fahrt gegeben zu haben. Wenn er
gedurft hätte, hätte er sie in Ketten gelegt. In Holland gingen die Schwierigkeiten weiter: In
Rotterdam gieng die Dicke Geldverschwenterin zu Herrn Wambersi und verlangte das der
Herr ihr ein Dampfschiff verschaffen soll, welches Sie wieder Nachhaus bringen soll. Das Verlangen
der Catharina Rombach, die er wenig schmeichelhaft als dick und als Geldverschwenderin
bezeichnete, war natürlich das letzte, was die Maurer-Compagnie gebrauchen konnte. Er
war daher froh, der Gemeinde Steig anzeigen zu können, dass die Familie Gärtner am 29. Mai
in Rotterdam angekommen sogleich in das Seeschiff gestiegen, und den ersten d. M. die grose
Reise über See in das gelobte Land angetretten habe. Soweit zur Sichtweise des Kronenwirtes
, in der er sich als gestresster Erfüller des Auswanderungsvertrages präsentierte.
In den Auswanderungsakten von Steig ist jedoch ein Brief des Jacob Gärtner enthalten, der
ein ganz anderes Licht auf die Geschehnisse wirft. Er konnte zwar nicht schreiben, aber einem
seiner schreibkundigen Kinder konnte er sehr wohl einen Brief diktieren. Von Rotterdam aus
schrieb er am 9. Juni 1841 einen Brief an den Bürgermeister von Steig. Nach Maurers Darstellung
hätte Gärtner da schon längst auf hoher See sein sollen. Gärtner warf dem Kronenwirt
Maurer vor, sich nicht an seine Versprechungen gehalten zu haben. Er schilderte, dass der Kronenwirt
die Reise nur bis Köln mitmachte, bis Rotterdam war nur der Bruder an Bord. Hierin
liegt die Erklärung dafür, dass die Familie in Köln so widerspenstig wurde. Schließlich war ja
in Niederhausen vereinbart worden, dass der Kronenwirt persönlich die 50 Gulden in Rotterdam
an die Familie auszahlen sollte. Mit dem Kronenwirt drohten auch die versprochenen Gulden
von Bord zu gehen. Dem Bruder warf Gärtner vor, ihn beim Geldwechsel betrogen zu
32 GAB 81.
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