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Jahrzehnt seiner Verlegerpraxis die Grundlagen für das katholische Programm des Verlags gelegt
.10 Wenig erfolgreich war das Engagement für eine katholische Presse im deutschen
Südwesten („Südteutsches Katholisches Kirchenblatt" 1841-1845, „Südteutsche Zeitung für
Kirche und Staat" 1845-1848). Die Übernahme des „Kalenders für Zeit und Ewigkeit" von
Alban Stolz erwies sich hingegen als Glücksgriff, zumal der Borromäus-Verein gleich 10.000
Exemplare als außerordentliche Vereinsgabe bestellte.11
Die 1850er Jahre haben den Bund zwischen Herder und dem Katholizismus besiegelt. In der
gegenrevolutionären Abrechnung mit den Kräften von 1848/49 erstarkte die katholische Bewegung
. Der „Badische Kirchenstreit" von 1853/54 hat maßgeblich dazu beigetragen.12 Für
Benjamin Herder bildete neben der Neugründung des „Katholischen Kirchenblattes" 1857
(mit wissenschaftlicher Beilage) das große Projekt des (katholischen) Kirchenlexikons - seit
1847 - die breite Brücke zu vielen katholischen Autoren (insbesondere prominente und/oder
populäre Theologen). 1856 schied Karl Raphael aus dem Verlag aus und wandte sich profitableren
Unternehmungen zu: Er erwarb in Bad Tölz das Jodbad und baute es zum erfolgreichen
„Haus Herder" aus.
Die Jahre zwischen 1860 und 1870/71 sind für das Schicksal des deutschen Katholizismus
und das von Herder als katholischem Verlagshaus entscheidend geworden. Zunächst sind ein
paar private Daten zu nennen. Am 30. Juni 1863 heirateten Benjamin Herder und Emilie Streber
(Tochter des liebenswürdigen Kunsthistorikers und Numismatikers Franz Streber aus München
).13 Am 14. November 1864 kam Hermann, das einzige Kind des Ehepaares Herder, zur
Welt. Acht Tage später starb Emmys Vater. Am 10. Juni 1865 starb Benjamin Herders Bruder
Karl Raphael. Am 2. Januar 1868 wurde der Prokurist Franz (Joseph) Hutter zum Teilhaber
der Verlagshandlung. Ein Jahr zuvor war Benjamin Herder alleiniger Eigentümer der „Literarischen
Anstalt", d. h. der Freiburger Herder-Buchhandlung geworden.
Während der 1860er Jahre konnte der Verlag zahlreiche katholische Autoren mit ihren
Standardwerken an sich binden. Viele von ihnen zählten fortan zu herausragenden Vertretern
der jeweiligen Richtungen: konservativ-ultramontan z.B. Räß, Rolfus, Jörg, Weiß,
Kaulen, Alban Stolz; eher progressiv-liberal Hefele, Döllinger, F. X. Kraus, dazwischen
z. B. die Freiburger Theologen Staudenmaier und Hirscher, um jeweils nur ganz wenige zu
nennen. Besonders eng war das Vertrauensverhältnis zu Hefele, Hergenröther und Döllinger
.14 Das (1.) Vatikanische Konzil hat mit dem Unfehlbarkeitsdogma die (für Herder
schmerzliche) Trennung von Döllinger erzwungen, während Hefele, von Benjamin Herder
unentwegt gedrängt, an der Conziliengeschichte weiterarbeitete und den offenen Bruch mit
Rom scheute. Neben den wissenschaftlichen Werken hatte der Verlag etliche Bestseller im
Programm, wie die Bilderbibel, Bumüllers „Deutsche Geschichte" oder die in 30 Sprachen
übersetzte Schuster-Schulbibel. Als sie 1869 in Italienisch vorlag, ließ der Papst dem „pe-
rillustri observandissimo Domino Benjamino Herder" in einem persönlichen Schreiben
gratulieren, wobei der päpstliche Sekretär Mercurelli betonte, der Heilige Vater habe das
10 Zur Revolution von 1848/49 in Baden vgl. Wolfgang von Hippel: Revolution im deutschen Südwesten. Das
Großherzogtum Baden 1848/49. Stuttgart 1998; zu den Vorgängen in Freiburg u. a. Ulrich P. Ecker: Freiburg.
In: Revolution im Südwesten. Stätten der Volksbewegung 1848/49 in Baden-Württemberg. Karlsruhe 1997, S.
181-194; Wolfgang Hug: Katholiken und ihre Kirche in der Badischen Revolution von 1848/49. In: Freiburger
Diözesan-Archiv 118, 1998, S. 283-311.
11 Der „Kalender für Zeit und Ewigkeit" wurde Jahr für Jahr in Auflagen von 300.000 bis 400.000 Exemplaren gedruckt
und verkauft.
12 Zum „Badischen Kirchenstreit" vgl. Stadt - Land - Religion. Der badische Kirchenstreit im Mikrospektrum
(1853-1855). In: Freiburger Diözesan-Archiv 120, 2000, S. 197-247.
13 Uber die Familie Streber vgl. Kasper (wie Anm. 5), S. 107 ff.
14 Regesten der Korrespondenz Benjamin Herders mit Hefele und mit Hergenröther befinden sich im Verlagsarchiv.
Der Briefwechsel mit Döllinger aus den Jahren 1847 bis 1864 ist abgedruckt in der Dissertation von Herder
(wie Anm. 5), S. 306-364.
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