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sein zu bringen.49 Viele Standardwerke der Geschichts- und Sozialwissenschaften gingen sodann
aus der Verbindung von Herder mit der Görres-Gesellschaft hervor (die Akten des Tri-
dentinums, Grisars Geschichte Roms und der Päpste, Kißlings „Kulturkampfgeschichte",
Peschs Lehrbuch der Nationalökonomie u. v. m.). Bald folgten die Naturwissenschaften (etwa
mit illustrierten Lehrbüchern zur Botanik, Zoologie, Geographie, Chemie, Physik oder Mineralogie
). Hinzu kamen die ambitionierten wissenschaftlichen Zeitschriften wie das „Historische
Jahrbuch"; schon zuvor die „Römische Quartalsschrift", das „Archiv für Literatur- und
Kirchengeschichte des Mittelalters", das „Jahrbuch für Naturwissenschaften". Schon seit 1871
erschien im Verlag die Zeitschrift der Jesuiten „Stimmen aus Maria Laach" (später, nach 1914,
„Stimmen der Zeit"). Nicht zuletzt wären in diesem Kontext die Bände klassischer Literatur
zu nennen sowie Baumgartners „Geschichte der Weltliteratur" oder die zahlreichen Publikationen
auf dem Gebiet der Pädagogik, u. a. das vom Schwiegervater Otto Willmann herausgegebene
5-bändige Lexikon der Pädagogik, das ins Bücherregal jedes anständigen katholischen
Schulmeisters gehörte.
Herder war um die Jahrhundertwende zum weltbekannten Universalverlag geworden, ohne
sein katholisches Profil preisgegeben zu haben. Den theologischen Konflikten der Zeit wusste
man sich geschickt zu entziehen. Streitschriften nahm man nicht ins Programm, wohl wissend,
„dass bei ihnen wenig herauskommt und sie nur zu Weiterungen führen".50 Man unterstützte
das Zentrum, die Lehrlinge verteilten Wahlzettel in der Stadt. Von Parteipolitik hielt man sich
indes fern.51 Die hiesige Zentrumszeitung (die „Tagespost") durfte nie bei Herder erscheinen.
Der Papst zollte der Verlagslinie höchste Anerkennung, verlieh Hermann Herder den Pius-
Orden und ernannte ihn zum Komtur des Gregorius-Ordens. Er erteilte ihm wie einst dem Vater
das Recht, als Päpstlicher Herausgeber amtliche Texte der Kurie zu drucken. So erschienen
bei Herder die Enzykliken stets lateinisch und deutsch (beispielsweise die Sozialenzykliken
Leos XIII.). Exemplarisch für die Tatsache, dass Herder als katholischer Verlag nun (um 1900)
ranggleich neben die großen deutschen Verlagshäuser aus liberaler, protestantischer Tradition
getreten war, mag das Herder-Konversations-Lexikon stehen. Es erschien in der 3. Auflage
1902-1907 und hatte fortan seinen Platz in den Bibliotheken neben Brockhaus und Meyer. Im
Bücherschrank der katholischen Intellektuellen ersetzte es jene. Wer es mit Verstand benutzte,
erkannte durchaus die spezifische „Herder-Philosophie" auch in diesem Nachschlagewerk: Es
verband sachlich „objektive" Information mit festen Standpunkten in allen Fragen des Menschenbildes
oder der „Weltanschauung".
Man wüsste natürlich gerne auch, auf welcher finanziellen oder ökonomischen Grundlage
die enorme Expansion des Verlages, des Programms, der Belegschaft (vor dem Ersten Weltkrieg
fast 500 Beschäftigte), der Produktion, der Präsenz in der Welt geschaffen wurde. Darüber
lässt sich nur mutmaßen, da Bilanzen nicht einzusehen sind. Es kann selbst über die Höhe
von Auflagen nur spekuliert werden. Es gab zweifellos Bestseller, etwa den Schott, die pasto-
ralen Handreichungen von Nikolaus Gihr, aber auch viele Schulbücher und Jugendbücher (das
„Hölzerne Bengele", seit 1913 im Verlagsprogramm, hat inzwischen fast 100 Auflagen erreicht
). Manche Bücher von Alban Stolz oder Heinrich Hansjakob wurden zu Rennern. Gleiches
gilt für die Schulbibeln (nach den Schuster-Bibeln die von Weihbischof Knecht) oder das
1892 eingeführte neue Diözesangesangbuch „Magnificat".
49 Die Geschichte des Staatslexikons ist im Jahresbericht der Görres-Gesellschaft 1963 von Clemens Bauer dargestellt
.
so Vgl. Krebs (wie Anm. 41), S. 269.
51 Dorneich (wie Anm. 6) S. 150 ff.
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