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archiv lagernden Erbschaftsakten56 entnehmen lässt, bereits wenige Tage nach dem Erhalt der
letztwilligen Verfügung die Vermächtnisse ohne Widerspruch akzeptierten.57 Was bei der
Durchsicht des Gillmann-Testaments nun besonders auffällt, ist der zweimalige explizite Hinweis
auf angeblich gravierende Spekulationsverluste ([...] mein durch unglückliche Spekulationen
gemindertes Erbgut [...]/Ich habe an meinen Werthpapieren großen Verlust in Folge von
Kurssturz und keinen Zins.), tragische Umstände, möchte man meinen, die an einem auf die
Vermögensbildung fixierten Geistlichen des ausgehenden 19. Jahrhunderts gewiss nicht spurlos
vorbeigegangen sein werden. Wusste Heinrich Hansjakob von den gescheiterten Investments
seines Berufskollegen? Aber, falls ja, warum findet sich dann weder in der Erstausgabe
noch in der überarbeiteten Fassung des ' Vogtsbur' auch nur der leiseste Hinweis auf dieses Anlagedesaster
? In Zeiten, in denen nach einer nicht enden wollenden Baisse vor allem in den
Wachstumswertsegmenten der internationalen Kapitalmärkte eine ausgesprochene Katerstimmung
herrscht und der noch in den Zeiten der Internet-Euphorie mit Hohn und Spott überschüttete
'value investing'-Ansatz eines Warren Buffett fröhliche Urstände feiert,58 wird man
die Wertpapierverluste Benedikt Gillmanns zwar auch in emotionaler Hinsicht ohne weiteres
nachvollziehen können, sich dann aber dennoch die Frage stellen, aufgrund welcher Engagements
der Geistliche sein angeblich so zielstrebig gemehrtes Vermögen derart leichtfertig aufs
Spiel gesetzt hatte. Überraschende Einblicke in das Anlageverhalten Gillmanns gewährt die
Hinterlassenschaftsakte, die im Freiburger Stadtarchiv aufbewahrt wird.
Erben oder Enterbte? Die Hinterlassenschaftsakte
Ordnen wir die in der soeben ins Feld geführten Archivalie verwahrten Einzelbelege gemäß
ihrer chronologischen Reihenfolge, so stoßen wir zunächst auf eine sogenannte Sterbfallsanzeige
, die noch am Todestag Gillmanns, am 31. Mai 1897, vom verpflichteten Leichenschauer
ausgestellt wurde. Aus dem vorschriftsgemäß ausgefüllten amtlichen Formular geht hervor,
dass der Erblasser in seiner Privatwohnung in der Freiburger Scheffelstraße 5 12 1/2 Uhr vormittags
im Alter von 73 Jahren, 10 Monaten und 13 Tagen das Zeitliche gesegnet hatte.59 Dem
sogenannten 'Sterbebuch' der Freiburger Gräberverwaltung60 lässt sich darüber hinaus entnehmen
, dass die Leiche des Verstorbenen bereits gegen 1/410 Uhr des gleichen Tages ins Leichenhaus
des Freiburger Hauptfriedhofs gebracht wurde. Das Begräbnis erfolgte am 2. Juni
gegen vier Uhr, wobei sich als funktionirender Priester ein Geistlicher namens Jung Bühler
verzeichnet findet.61
56 Hierzu siehe Anm. 23.
57 So die an die Adresse des Freiburger Notars gerichtete Einverständniserklärung vom 15. Juli 1897, die folgende
Unterschriften trägt: Stephania Ludwig (Tochter Johann Georg Gillmanns), Konstantin Gillmann (Sohn Adam
Gillmanns), Klara Gillmann (Ehefrau Adam Gillmanns), Rosa Gillmann (Tochter Adam Gillmanns), Maria Anna
Wirth (Tochter Johann Georg Gillmanns), Johann Kümmerle (Ehemann der bereits verstorbenen Benedikta Gillmann
), Wilhelm Grünfelder (Sohn der bereits verstorbenen Agatha Gillmann), Sophia Merkt (Tochter Johann
Georg Gillmanns). Die Namen dieser erbberechtigten Personen kennen wir bereits aus dem Text des Testaments.
In der Gillmannschen Personalakte hat sich übrigens ein bemerkenswerter Originalbrief von der Hand Stephania
Ludwigs (geb. 1841, 1864/65 Haushälterin Benedikt Gillmanns!) erhalten, der am 21. März 1892 in Merdingen
verfasst und an die Adresse des Kirchhofener Pfarrers Otto Steiger (1842-1920, seit 1892 in Kirchhofen)
gerichtet wurde, der ihn, mit einem Begleitschreiben versehen, zwei Tage später an das Freiburger Domkapitel
weiterleitete.
58 Robert G. Hagstrom: Buffettissimo! Die 12 Erfolgsprinzipien für die Börse von heute. Frankfurt/New York
2002; weiter: Andrew Kilpatrick: Warren Buffett. Von bleibendem Wert. Die Biographie des erfolgreichsten
Investors. Aus dem Amerikanischen von Günter Apfeld. München 1998.
59 Einen von dieser Angabe abweichenden Todeszeitpunkt {Heute Nacht, 12 1/4 Uhr [...]) überliefert die im 'Freiburger
Boten' vom 1. Juni 1897 erschienene Todesanzeige. Siehe Anm. 75. Zu den verschiedenen Freiburger
Adressen Gillmanns während der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts siehe Anm. 29.
60 Freiburg, Hauptfriedhof, Gräberverwaltung, Sterbebuch, März 1896-Dezember 1903.
61 Siehe ebd., wobei sich hier nähere Angaben zur Lage des (heute nicht mehr existierenden) Grabes finden: als
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