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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 172
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in einer Petition an alle deutschen Unterrichtsministerien - Kulturpolitik war auch damals Ländersache
- die Einführung des Frauenstudiums an deutschen Universitäten gefordert, doch bislang
war die Phalanx zur Verteidigung der Männerbastion Hochschule nicht zu brechen gewesen
.13 Fortschritte hingegen hatte es erst jüngst im Bereich der höheren Mädchenbildung
gegeben: So war 1893 in Karlsruhe mit städtischer Unterstützung unter der Federführung des
Vereins „Frauenbildung-Frauenstudium" das erste staatlich anerkannte Mädchengymnasium
eingerichtet worden.14 Im selben Jahr hatte die Lehrerin und Frauenkämpferin Helene Lange
ihre schon 1889 eingerichteten „Realkurse für Frauen", wo sie seit Jahren jungen Mädchen in
eigener Regie zu einer verbesserten Ausbildung verhalf, zu „Gymnasialkursen" ausgebaut.
Zwar erhielten Frauen ab 1895 die Erlaubnis, ihre Abiturprüfung abzulegen, an einer deutschen
Universität jedoch durften sie sich nicht immatrikulieren. Ziel der genannten Bildungseinrichtungen
war denn auch die Vorbereitung auf das Studium in der Schweiz, vorzugsweise
in Zürich, wo Frauen seit den 1870er Jahren studieren durften, und sich z.B. die spätere
Schriftstellerin Ricarda Huch bereits 1887 an der Philosophischen Fakultät für das Fach Geschichte
eingeschrieben hatte.15

Olga Fajans indes wollte nicht diesen Weg des Kompromisses gehen. Sie beabsichtigte, an
einer deutschen Universität zu studieren und dort auch das Staatsexamen abzulegen, was
Frauen damals schlichtweg verboten war.16 Unbedingte Voraussetzung hierfür war allerdings
die deutsche Abiturprüfung, die erst in dem Jahr, als sie ihre Ausbildungsentscheidung traf,
von der ersten Frau überhaupt abgelegt werden konnte.17 Selbstverständlich hatte sich die
junge Danzigerin genau informiert und war über die wenigen Möglichkeiten, die sich ihr eröffneten
, im Bilde. Allerdings wollte sich die bereits 26-Jährige auf keinen Fall länger als unbedingt
nötig mit ihren Vorbereitungen für die Abiturprüfung an einem humanistischen Gymnasium
aufhalten. So kam für sie der Besuch des ersten deutschen Mädchengymnasiums in
Karlsruhe nicht mehr in Erwägung, obgleich zu dessen Schülerinnen auch etwas ältere Frauen
gehörten wie die 1877 geborene Mathilde Spieß, die ab 1895 die Karlsruher Schulbank
drückte, ab 1901 in Freiburg Medizin studierte und Jahrzehnte später als Ehefrau von Erich
Ludendorff mit ihren antisemitischen Hetzschriften den Nationalsozialisten ideologisch- zuarbeiten
sollte.18

Auch die Ausbildung bei Helene Lange war Olga Fajans zu langwierig. Die bekannte Lehrerin
reagierte daher wenig erfreut, als die Danzigerin sie eines Tages in Berlin aufsuchte und

13 Vgl. Ute Gerhard: Unerhört. Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Reinbek 1990, S. 150.

14 Vgl. Sigmund Reichenberger: Das Karlsruher Mädchengymnasium in seinen ersten fünfundzwanzig Jahren.
1893-1918. Karlsruhe 1918, S. 9-14; Eva Hirtler: Kaiserzeit und Weimarer Republik. In: 100 Jahre Mädchen-
Gymnasium in Deutschland. Hg. von der Stadt Karlsruhe. Karlsruhe 1993, S. 10-24, hier S. 18 f; Gerhard Kaller
: Mädchenbildung und Frauenstudium. Die Gründung des ersten deutschen Mädchengymnasiums in Karlsruhe
und die Anfänge des Frauenstudiums an den badischen Universitäten (1890-1910). In: ZGO 110, 1992, S.
361-375, hier S. 363 f.

15 Vgl. Renate Feyl: Der lautlose Aufbruch. Frauen in der Wissenschaft. Frankfurt/M.31989, S. 133 f.

16 Das Staatsexamen war unbedingte Voraussetzung für die Approbation als Ärztin. Die Entscheidung darüber war
keine Länder-, sondern eine Reichsangelegenheit und fiel im Jahr 1899 im Bundesrat. Von jetzt an mussten sich
Frauen mit Universitätsabschluss nicht mehr als schlecht beleumundete Kurpfuscherinnen niederlassen, sondern
konnten dies ab 1901 als gleichberechtigte Ärztinnen tun. Vgl. Johanna Bleker: Vorspiel: Deutsche Ärztinnen
mit ausländischem Doktorgrad 1871 bis 1901. In: Ärztinnen aus dem Kaiserreich (wie Anm. 2), S. 11-34, hier
S. 29.

17 Hildegard Ziegler bestand 1895 nach Vorbereitung in der Schweiz die Externenprüfung an einem Sigmaringer
Jungengymnasium. Im März 1896 legten auch die ersten sechs Absolventinnen der von Helene Lange in Berlin
eingerichteten Gymnasialkurse für Frauen ihre Abiturprüfung ab. Vgl. Hildegard Wegscheider: Weite Welt im
engen Spiegel. Erinnerungen. Berlin (W) 1953, S. 28-31; Claudia Huerkamp: Bildungsbürgerinnen. Frauen im
Studium und in akademischen Berufen 1900-1945. Göttingen 1996, S. 46.

18 Vgl. Mathilde Ludendorff: Durch Forschen und Schicksal zum Sinn des Lebens. München 1937, S. 15 ff; Sabine
Hering: Deutsch, deutsch und nochmals deutsch. Mathilde Ludendorff ohne ,Heiligenschein und Hexenzeichen
'. In: Ariadne 18, 1990, S. 40-46.

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