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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 173
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sie um die Vermittlung eines Latein- und Griechischlehrers bat. Die Familie Fajans war mittlerweile
in die Reichshauptstadt umgezogen, und ihre Tochter sah sich gezwungen, ein neues
„Lehrerkollegium" für die Fächer Mathematik, Griechisch und Latein zusammenzustellen.
Den Stoff der übrigen Fächer eignete sie sich im Selbststudium an.19

Statt, wie in den Langeschen Kursen üblich, in vier Jahren nach Abschluss der Höheren
Töchterschule,20 über den Olga Fajans nicht verfügte, wollte sie die bereits begonnenen Vorbereitungen
in anderthalb Jahren hinter sich bringen, was ihr - soviel sei an dieser Stelle vorweggenommen
- tatsächlich gelingen sollte. Helene Lange jedoch wollte und konnte den ehrgeizigen
Plan nicht unterstützen, hätte sie damit doch ihr eigenes Schul-Unternehmen in Frage
gestellt. Kein Wunder, dass die Grande Dame der Höheren Frauenbildung in Fajans' Augen
nur mehr als Bremsklotz wirkte. Die Bildungsexpertin habe sie, so erinnert sich Olga Hempel
in ihrer Autobiografie, mit Spott u(nd) Hohn überschüttet wegen m(einer) Frechheit, das ganze
Pensum, für das sie - ich weiss nicht: drei oder fünf Jahre ansetzte, in IV2 erledigen zu wollen
.21 Helene Lange war für sie die klassische Vertreterin eines Frauentyps, der ihr in keiner
Weise lag und sie zu dem harschen Urteil veranlasste, dass sehr tüchtige, mit Vorliebe unverheiratete
, Weiber schlechthin unerträglich selbstbewusst, herrschsüchtig, unterofftziersmässig
werden.22

Unterstützung hingegen erfuhr sie von unerwarteter Seite: Es waren Männer, genauer: Professoren
aus ihrem persönlichen Bekanntenkreis in Danzig, die sie überhaupt erst auf die Idee
gebracht hatten, ein Studium zu wagen, und dabei nicht den bislang einzig gangbaren, den
Schweizer Weg einzuschlagen, sondern auf die Ausbildung an einer deutschen Hochschule
hinzuarbeiten. Dies sei, so berichtet sie im Nachhinein, nicht aus reinem Altruismus heraus geschehen
: Aufzureden u(nd) Rat von (mit) mir befreundeten Professoren, die mich sozusagen
als Versuchskaninchen für(s) Frauenstudium benutzen wollten, beschloss ich, es an einer deutschen
Univ(ersität) zu riskieren, deren Rector sich für mich einsetzen wollte.23

So traf Olga Fajans im Frühjahr 1897 nach bestandener Abiturprüfung in Freiburg ein, um
hier ihr Medizinstudium aufzunehmen. Der Rang einer gleichberechtigten Studentin allerdings
blieb ihr versagt, denn sie durfte sich nicht ins Matrikelbuch der Universität eintragen. Noch
war das ordentliche Frauenstudium selbst in dem vergleichsweise liberalen Baden nicht eingeführt
, wenn auch die Vertreter des zuständigen Kultusministeriums bereits ihre Absicht, diesen
Zustand zu ändern, gegenüber den betroffenen Hochschulen in Freiburg und in Heidelberg
deutlich kundgetan hatten.

Es waren die Universitäten selbst, die sich stur gegen die Immatrikulation von Frauen wehrten
. Allerdings fabulierte man hier nicht mehr wie in Preußen oder in Sachsen über die angeblich
gottgewollte, gleichsam naturgegeben verminderte Leistungsfähigkeit, wie sie noch im
Jahr 1900 der (unter Männern) weithin verehrte Leipziger Neurologe Paul Moebius in ebenso
prägnanter wie diskriminierender Wortwahl als physiologischen Schwachsinn der Frau ausformulieren
und auf vielen Buchseiten wissenschaftlich analysieren sollte.24 In Freiburg
drückte man sich vorsichtiger aus: Das Professorenkollegium unterstütze selbstverständlich
die Zulassung von ausreichend vorgebildeten Frauen zur Immatrikulation. Es könne jedoch
nicht angehen, dass Baden das Frauenstudium im Alleingang einführe - hingegen möge die
Regierung darauf hinwirken, dass alle deutschen Staaten einvernehmlich ihre Hochschulen für
Studentinnen öffneten. So lautete beispielsweise die Antwort auf eine Umfrage, die der Freiburger
Prorektor und Jurist Heinrich Rosin Ende 1897 initiiert hatte. Er wollte damals ein Ge-

19 Vgl. Hempel (wie Anm. 3), S. 62 f.

20 Vgl. Gerhard (wie Anm. 13), S. 155.

21 Hempel (wie Anm. 3), S. 66.

22 Ebd., S. 64.

23 Ebd., S. 61.

24 Paul J. Moebius: Ueber den physiologischen Schwachsinn des Weibes. Halle 31901.

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