http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2003/0189
Freimaurerischer Pazifismus in Freiburg
Teil II: Örtliche Logengründungen und Friedensaktivitäten
im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts
Von
Hans-Detlef Mebes*
„Reicht die Bruderhand
als schönste aller Gaben
übern Graben, Leute,
übern Graben."
Theobald Tiger, 20.11.1926
Einleitung
In der Stadt Freiburg existierten bis zur Wende des 19. zum 20. Jahrhundert die zwei Freimaurerlogen
„Freunde der edlen Aussicht" als Tochter der sogenannten humanitären Großloge
„Zur Sonne" mit Sitz in Bayreuth sowie „Friedrich zur Treue" als Tochter der sogenannten altpreußischen
Großen National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln" mit Sitz in Berlin. Unter
der Großen Landesloge von Österreich hatte sich die Erstgenannte im April/Juni 1784 zunächst
mit dem Namen „Zur edlen Aussicht" konstituiert, war im Jahre darauf der (englischen) Pro-
vinzialloge zu Frankfurt a.M. beigetreten und wirkte zwischen 1808 und 1813 im neuen
Großorient des Großherzogtums Baden. Von 1793/94 bis 1808, von 1813 bis 1847/48 und von
1852 bis 1857 musste sie ihre Tätigkeit unter den jeweils herrschenden landespolitischen Vorgaben
oder lokal bedingten Umständen einstellen. In der zweiten Schließungsphase (bis zur
Bayreuther Eingliederung 1848, als sie die Bezeichnung „Freunde der edlen Aussicht" erhielt)
konnten die Mitglieder im elsässischen Exil in Mülhausen arbeiten. Die Gründung der Zweitgenannten
als zunächst freimaurerische Vereinigung erfolgte dagegen erst 1894. Der Berliner
Obedienz (Großlogenkörperschaft) schloss sie sich erst 1897 an, bei endgültiger Aufnahme
ihrer Arbeiten im Jahre 1898. Beide Bauhütten waren sogenannte reguläre, d. h. unter einer
freimaurerisch regulären Patenschaft eingesetzte Logen; die eine ,humanitärer' Provenienz, in
der die Aufnahme auch von Juden möglich war,1 die andere , altpreußischer' Provenienz, in
welcher nur Christen aufgenommen werden konnten.
Es war dies eine Zeit in Deutschland, in der sich drei ideologisch bestimmte freimaurerische
Lager herausgebildet hatten. Einmal der linksliberale Flügel des humanitären Großmeis-
* Auch diesen Teil II widme ich meinem Lehrer Irwin Abrams, Distinguished University Professor Emeritus, An-
tioch University, Yellow Springs, Ohio/USA, der 1963 uns - eine Gruppe deutsch-österreichisch-schwedischer
Studenten in Nordamerika - sein pazifistisches Geschichtsverständnis lehrte sowie das humanitäre Engagement
der Quäker nahe brachte.
1 Im ersten Halbjahr 1923 trat die Loge „Freunde der edlen Aussicht" aus der Bayreuther Großloge „Zur Sonne"
aus, nahm ihren ursprünglichen Namen „Zur edlen Aussicht" an und unterstellte sich der altpreußischen
Großloge „Royal York de 1'Amitie" (seit 1915: „Royal York Zur Freundschaft"), Sitz Berlin. Ein Teil ihrer Freiburger
Mitglieder, die sich mit diesem Obedienzenwechsel nicht abfinden konnten, trennte sich von der rechtskonservativen
Fraktion ihrer eigenen Loge und gründete im März/Mai 1923 die Johannisloge „In Treuen fest"
unter der alten (liberalen) Bayreuther Großkörperschaft.
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