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fluss der Kirchen auf das deutsche Volk zu verstärken."22 Und in der vierten formulierte er:
„Untersteht nun aber zwar nicht der Kampf gegen die gewissensbedrückende kirchliche Dog-
matik, die von jedem unsrer Brüder verworfen wird, wohl aber das Maß der Betätigung an religiösen
Kämpfen der persönlichen Entscheidung des einzelnen, so ist dies nicht in demselben
Maße der Fall bei der Stellung zur allgemeinen Menschenliebe. Hier ist angesichts der
sittlichen Verheerungen, die Chauvinismus, Nationalismus und Völkerhass in unsrer Zeit angerichtet
haben, die Stellung eines Bruders des F.Z.A.S. durchaus eindeutig. Nach wie vor ist
der Kampf aufzunehmen, negativ gegen die unter der Maske des Patriotismus wütende Verhetzung
von Rassen. Nationen und Völkern und kriegerische Austragung der Streitigkeiten
durch Gewalt, positiv für die Anbahnung zunächst der deutsch-französischen Annäherung,
weiter der auf Vereinigung der europäischen Nationen gerichteten Anstrengungen, endlich der
allgemeinen Völkerversöhnung und friedlichen Gemeinschaftsverwaltung der Erde. Als Erbe
des Vermächtnisses von 1717 ist der Freimaurer, auch wo er kämpft, Friedensbringer."
In der dann am Sonntag früh von Richard Bloch geleiteten Logenarbeit hatte schließlich ein
zweiter Redner aus dem Norden das Wort. Walter Arthur Berendsohn, Germanist (Nordistik)
an der Universität Hamburg, sagte in seiner „Festzeichnung" (Vortrag) unter anderem: „Wir
alle haben uns im letzten Jahre mit der Pan-Europa-Idee des Grafen Coudenhove-Kalergi (seit
1922 Mitglied der Wiener Loge „Humanitas"; Anm. des Verf.) beschäftigt. [...] Europa wird
zur Not- und Schicksalsgemeinschaft zusammengeschmiedet, zu Pan-Europa innerhalb des
Völkerbundes. [...] aus seinem Werk tritt aber für uns klar hervor, dass der Frieden Europas
abhängig ist von der Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich. Es war deshalb eine
große und echte freimaurerische Tat, dass wir 1922, mitten in einer Zeit neu aufflammenden
Völkerhasses, die dargebotene Hand französischer Brüder ergriffen und mit den französischen
Großlogen Freundschaft geschlossen haben. (Sie) haben eine starke Vertretung im Parlament
und sandten kürzlich dem deutschen Volk als echt menschliche Kundgebung die Resolution
zur Aufhebung der Schuldparagraphen des Vertrages von Versailles. Solche Leistungen können
wir nicht aufweisen. Und doch dürfen wir stolz darauf sein, dass wir als kleine Minderheit
unbekümmert um alle Anfeindungen aufrecht den Weg echter Menschlichkeit gegangen
sind." Berendsohn erwähnte zugleich die französischen Gäste, wie Gaston Moch vom
Supreme Conseil der Grande Loge de France in der Rue Puteaux oder Adrien Juvanon vom
Supreme Conseil des Grand Orient de France in der Pariser Rue Cadet, letzterer ein Mitbruder
Kurt Tucholskys in der dortigen Loge „L'Effort".
Die Medien nahmen an der FZAS-Tagung regen Anteil. Das Protokoll notiert dazu weiter
: „Auch eine kleine Pressefehde fehlte nicht, da die Freiburger Altlogen wieder einmal ihre
bekannte Erklärung veröffentlichten, dass sie nichts mit uns zu tun hätten und wir keine
patentierten Maurer wären. Eine Antwort, die ebenfalls abgedruckt wurde, blieb der Groß-
logentag nicht schuldig. Ein Freiburger Zentrumsblatt (die klerikal dominierte „Freiburger
Tagespost"; Anm. des Verf.) veröffentlichte außerdem mehrere Artikel über das unheilvolle
Wirken des Freimaurertums; im Allgemeinen nach dem bekannten Rezept Wichtl-Rosen-
berg."23
22 Am 15. Januar 1925 hatte der Landtag in Bayern das Konkordat des Freistaats vom 29. März 1924 mit dem Vatikan
mit den darin enthaltenen Rechtssätzen in Gesetzesform beschlossen. Daraufhin verlegte der FZAS sein
Bundessekretariat aus dem bayerischen Nürnberg in das liberale Hamburg. Der formale Beschluss für diesen
Schritt des FZAS erging auf dem Großlogentag in Freiburg.
23 Die Faktendarstellungen einschließlich Zitierungen über die Vorbereitung und die Ergebnisse des Freiburger
Großlogentages vom 30. Juli bis zum 4. August 1925 sind den Berichten in den März-/Aprilheften 3/4 bis Novemberheft
11/1925 der „Vertraulichen Mitteilungen" des FZAS sowie dem Septemberheft 9 des 19. Jahrgangs
1925 der Bundeszeitschrift „Sonnenstrahlen" entnommen. Örtliche Presseberichterstattungen über diese freimaurerische
Jahreshauptversammlung erfolgten u. a. in der „Volkswacht" Nr. 176 vom Freitag, den 31.7.1925,
Seite 8, in der „Breisgauer Zeitung" Nr. 177 vom Samstag, den 1.8.1925, S. 3, in der „Freiburger Zeitung" Nr.
208, erstes Blatt, vom Sonntag, den 2.8.1925, S. 2; in der „Volkswacht" Nr. 178 vom Montag, den 3.8.1925, und
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