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Fachlehrern (Besprechung und Vorbereitung der schriftlichen Arbeiten, des Unterrichtsstoffes
usw.) - und zum Teil in ihrer Anwesenheit.40
Das Ministerium erließ im Dezember 1929 eine Ordnung für die mündliche Prüfung der
Lehramtsreferendare.41 Der hierin konstituierte Prüfungsausschuss setzte sich aus all jenen
Personen zusammen, die an der Ausbildung der Referendare mitwirkten. Den Vorsitz führte
jeweils ein vom Ministerium entsandter Regierungsvertreter. Aus dem Prüfungsausschuss war
für jeden einzelnen Referendar ein Sonderausschuss zu bilden. Die Prüfung selbst sollte von
Einzelbeispielen ausgehen und etwa 40 Minuten dauern.
Die am 5. Februar 1930 unter dem Vorsitz des Ministerialrats Dr. Armbruster abgehaltene
Prüfung des ersten Referendarkurses bestätigte das hohe Niveau des Freiburger Seminars42
und veranlasste den Ministerialrat zur euphorischen Feststellung: Es besteht kein Zweifel, daß
die neue Art der Ausbildung viel mehr leistet als die frühere. Selbstverständlich ragen die für
den Unterricht Begabten besonders hervor, doch haben auch die weniger Veranlagten alles getan
, was in ihren Kräften stand.43 Die Begeisterung konnte freilich schnell die Frage nach der
Relevanz verdecken. Denn die mündliche Prüfung war geschaffen worden, um die theoretischen
Kenntnisse der Lehramtsreferendare zu verbessern. Dass diese nicht mit gehaltvollem
Unterricht gleichzusetzen war, bewies das Protokoll eines Unterrichtsbesuchs, den derselbe Dr.
Armbruster bei einem Referendar des Bertholdgymnasiums unternahm, der zuvor in der
mündlichen Prüfung mit gut beurteilt worden war: Dem jungen Lehrer ist weniger übel zu nehmen
, daß er mit der metrischen Analyse und Interpretation (des 1. Chorliedes der Antigone)
nicht zurechtkam, als daß er, innerlich gänzlich unbeteiligt, durch trockenes und ödes Zerpflücken
des Gelesenen das Lied völlig verdarb.44
Dr. Martin zog in einem ausführlichen Bericht an das Ministerium45 seine eigene Bilanz
aus dem ersten Seminarjahr: Insgesamt seien die Erfahrungen positiv. Als problematisch habe
sich allerdings die Doppelrolle der einführenden Lehrer als Fachdidaktiker und Ausbilder erwiesen
. Denn die dadurch nötige Konzentration vieler Referendare auf eine Schule provoziere
wegen des häufigen Lehrerwechsels Proteste der Eltern und Ärger mit Kollegen, die deshalb
die Verteilung der Referendare über alle Schulen der Stadt forderten. Hinzu komme, dass Referendare
, die man zu Vertretungen in andere Schulen abordne, häufig für Wochen oder gar
Monate der Aufsicht ihrer einführenden Lehrer entzogen seien, zumal sich in diesem Zusammenhang
das rechtlich ungeklärte Problem stelle, ob Seminarleiter und einführende Lehrer
überhaupt den Unterricht an einer anderen Anstalt besuchen dürften. Weiterhin unterrichteten
die meisten einführenden Lehrer nur in der Oberstufe und müssten deshalb ohnehin andere
Kollegen mit der Ausbildung in Unter- und Mittelstufe beauftragen. Als Abhilfe empfahl Dr.
Martin die Trennung beider Funktionen, wie dies die Bezirksseminare der preußischen Rhein-
40 Ernst Bender: Von der Fachausbildung des Pädagogischen Seminars. In: Schulblätter 47, 1930, S. 2. Das Freiburger
Profil wird deutlicher, wenn man die Zusatzangebote eines anderen badischen Seminars dagegenhält: Zur
Erweiterung des in den Übungen Gebotenen dienten in Heidelberg einzelne Vortragsreihen, mit denen der Seminarleiter
Mitglieder des Seminarlehrkörpers beauftragte. Außerdem war hier während eines Semesters eine
Universitätsvorlesung über 'Erziehungsprobleme und Bildungsideale von Rousseau bis Nietzsche' verbindlich
gemacht. Aus: Adolf Clausing: Die praktische Ausbildung der badischen Philologen. In: Neue Jahrbücher für
Wissenschaft und Jugendbildung 7,1931, S. 88.
41 Erlass vom 13.12.1929. In: GLA 235/42368.
42 Dass sie zumindest in Pädagogik anspruchsvoll war, belegen die erhaltenen Prüfungsprotokolle, vgl. z. B. - beliebig
herausgegriffen - die Prüfung vom 17.9.1931 mit Dr. Martin: Unterschied zwischen subjektiver und objektiver
Unterrichtsmethode, Urteil darüber, Lehrstufen nach Herbart-Ziller, nach v. Sallwürk, der entwickelnde
Unterricht deduktiv und induktiv, Eigenschaften einer Schülerantwort, der Dalton-Plan, Entwicklungstufen des
Jugendlichen, pädagogische Aufgaben bei sittlichen Verfehlungen Jugendlicher. In: GLA 235/42363.
43 Prüfungsprotokoll in der Ausfertigung vom 9.3.1930. In: GLA 235/39730. Von den 23 geprüften Referendaren
erhielten vierzehn die Note sehr gut, acht die Note gut und einer die Note genügend.
44 Bericht vom 4.2.1932. In: GLA 235/42363.
45 Zum Folgenden vgl. Schreiben vom 4.12.1929. In: GLA 235/39730.
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