Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 226
(PDF, 58 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2003/0226
der Länder. Diese bündelte sich wiederum im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung
und Volksbildung, das im Mai 1934 unter dem Reichserziehungsminister Bernhard Rust seine
Arbeit aufnahm.77

In einer von Herbert Kraft entworfenen Rundfunkrede erläuterte der frisch ernannte Kultusminister
Badens am 19. April 1933 die neue Kulturpolitik: Schulen dürften nicht nur Lernschulen
sein, sondern müssten neben solider Bildung vor allem Leistungsfähigkeit und charakterliche
Festigung vermitteln. Wichtigstes Erziehungsmittel zur charakterlichen Höchstausbildung
sind die Leibesübungen. Deshalb müsse der zweistündige Sportunterricht wieder
eingefühlt werden und sich auch auf die Ausbildung der Lehramtsreferendare in den vier Se-
minarien erstrecken. Literarische Alltagsware habe aus dem Deutschunterricht zu verschwinden
zugunsten der Werke der Klassiker und Geistesheroen unseres Volkes. Eine Verächtlichmachung
der christlichen Religion und ihrer Gebräuche werde in Zukunft im Unterricht nicht
mehr möglich sein. Auch für das Assessorenproblem wusste der Minister Rat: Zumindest der
Prüfungsjahrgang 1930 und ein Teil des Jahrgangs 1931 sollten Arbeit und Brot finden.

Die Rede war maßvoll und zurückhaltend, warb um den Konsens möglichst vieler Gruppen,
insbesondere auch der Kirchen. Nach außen hin hielt die badische NS-Regierung diese Linie
noch eine Zeitlang bei. Insgeheim bereitete sie jedoch das vor, was sie später selbst als Erneuerung
bezeichnen sollte: die von oben nach unten gehende Reinigung der Beamtenschaft,
die dem NS-Regime erst die volle Macht verschaffen sollte.

Auch am Freiburger Seminar kündigte sich der Beginn der NS-Diktatur zunächst recht zaghaft
an. Ein erster Bote mag vielleicht die Aufforderung des Ministeriums gewesen sein, ein
Verzeichnis der Fachleiter nach Karlsruhe zu schicken - vermutlich zu deren Loyalitätsüberprüfung
. Der Seminarleiter kam der Bitte unverzüglich nach.78 In der nervösen Ruhe vor dem
Sturm entwickelte dieser zugleich eine besondere Art vorauseilenden Gehorsams: Bereits am
24. Februar schrieb er einen Turnkurs für die Referendare seines Seminars aus. Und als sich
dafür nur zwei Freiwillige meldeten, erklärte er ihn am 12. März kurzerhand zur Pflicht für
alle79 - und dies bevor das Ministerium am 12. Mai 1933 Sport durch Runderlass für alle Seminare
verbindlich anordnete.80

Nachdem der NS-Minister zunächst das Kultusministerium nach den Vorstellungen der Partei
gesäubert hatte, griffen im Frühjahr 1934 personelle Veränderungen auch in den unteren
Rängen des badischen Schulwesens.81 Sie wurden formal mit dem Gesetz zur Wiederherstellung
des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 begründet und wandten sich gegen Juden, Gefolgsleute
der Weimarer Parteien oder anderer Weltanschauungskonkurrenten - gelegentlich
auch gegen Personen, die man dafür hielt oder dazu erklärte. Ein gewaltiges Revirement setzte
ein, das untere Parteichargen häufig in Positionen hob, auf die sie unter normalen Umständen
keine Chancen gehabt hätten.

Das Ministerium eröffnete den Personalaustausch mit einer programmatischen Erklärung:
Grundsätzlich sei gesagt, daß der neue Staat nur die befähigsten Lehrer und Erzieher und die
wertvollsten Persönlichkeiten übernehmen kann.82 Dr. Bergmann gehörte nicht dazu. Denn in
seiner bereits erwähnten Stellungnahme betonte der Freiburger Kreisleiter:83 Jetzt ist Dr. Bergmann
nach außen hin auch nationalsozialistisch (natürlich nicht eingeschriebenes Mitglied!).

77 Zum Ganzen vgl. Rolf Eilers: Die nationalsozialistische Schulpolitik. Eine Studie zur Funktion der Erziehung
im totalitären Staat. Köln/Opladen 1963, S. 54-65 sowie zum Reichsministerium Wolfgang Keim: Erziehung
unter der Nazi-Diktatur. Bd. 2. Darmstadt 1997, S. 10-15.

78 Schreiben vom 12.3.1933. In: GLA 235/42363.

79 AKF III. Dienst- und Personalsachen g 1).

80 GLA 235/42363. Der Erlass reflektiert die Grundsatzrede von Reichsinnenminister Frick über NS-Bildungs-
politik vor den Kultusministern der Länder am 9.5.1933.

81 Vgl. dazu Merz (wie Anm. 67), S. 301-318.

82 Runderlass vom 29.3.1934. In: GLA 235/42363.

83 Vgl. Anm. 66.

226


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2003/0226