http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2003/0270
quantitativ, sondern auch qualitativ bringt Scherbs gut lesbare Freiburger Fallstudie für die ersten fünf
Jahrzehnte des Frauenstudiums neue Sichten, gute Ergebnisse und beschreitet häufig universitätshistorisches
Neuland für Freiburg. Für den zweiten Teil nach 1945 mag man die Untersuchung lediglich als
einen ersten Ausblick auf die Rolle von Frauen an der Albert-Ludwigs-Universität akzeptieren. Natürlich
gibt es für eine entsprechende Aufarbeitung teilweise noch gewisse, (archiv-)rechtlich bedingte Quellenprobleme
, vielfach fehlt für die Nachkriegszeit noch die zeitliche Distanz - eine Problematik, die auch
wissenschaftliche Arbeiten über den Nationalsozialismus oft noch immer in emotionale Schwierigkeiten
bringt. Zudem scheint hier die Autorin doch zu oft zu sehr bemüht, Frauenaspekte und die Bedeutung der
Frauen herauszuarbeiten, wie sie vielleicht nicht einmal von den jeweiligen Frauen selbst gesehen worden
sind. Frauen führten an der Universität der Nachkriegszeit überwiegend ein Schattendasein, auch
wenn dies aus unserer heutigen Sicht nicht akzeptabel und auch unverständlich ist.
Zu kritisieren ist, dass zwar die Schwierigkeiten der Frauen, sich sowohl als Studierende als auch Wissenschaftlerinnen
ihren Platz an der Universität zu erkämpfen, zu sehr aus der Sicht einer speziellen Frauenforschungsperspektive
und zu wenig aus sozialer, politischer und wirtschaftlicher Sicht heraus dargestellt
wurde. So wird wenig thematisiert, dass auch nicht keinesfalls jeder Mann, sondern nur wenige Privilegierte
studieren konnten. Es wird nicht besonders herausgearbeitet, dass weibliche ebenso wie
männliche Studierende um 1900 nur aus privilegierteren Kreisen stammten. Schließlich konnte nicht
jeder Studierwillige und Studierfähige unabhängig seiner Herkunft die Bildungsvoraussetzungen und die
notwendigen Finanzen für ein Studium erlangen. Ist es dabei wirklich so bemerkenswert, wenn der Sohn
eines Rechtsanwaltes oder Mediziners studiert? Ist es dann wirklich so verwunderlich, wenn schließlich
einmal die Tochter eines Rechtsanwaltes oder Mediziners studieren möchte und dies diesen Frauen auch
gelingt? Welche Chancen hatte dahingegen der Sohn oder gar die Tochter aus kleinen Angestellten- oder
Arbeiterverhältnissen? Es ist sicherlich nicht zufällig, dass die ersten Freiburger Studentinnen Jura oder
Medizin studierten. Welche Mädchen aus welchen Kreisen wurden sonst zu dieser Zeit auf Gymnasien
geschickt? Die gesellschaftlichen Dimensionen stärker einzubeziehen und auch auf die Situation der
Frauen zu beziehen, hätte dem lebendigen und überaus interessanten Buch mehr Gewicht verliehen. Wäre
die Leistung dieser Pionierinnen an der Freiburger Universität infolge einer solchen Einordnung tatsächlich
geschmälert worden?
Ute Scherb hat erstaunlich viel neues Quellenmaterial zusammengetragen und erschlossen, sie hat die
wenigen dürren amtlichen Akten zum Frauenstudium und dem Werdegang der Freiburger Akademikerinnen
durch viele kleinere Quellen plastisch ausgebreitet, zum Leben erweckt und so erst richtig interessant
gemacht. Sie hat damit klar gemacht, wie viel unbeachtetes Material in einen neuen Zusammenhang
gestellt werden kann, auch wenn in einigen Fällen die Subjektivität der Lebensbeschreibungen und
Selbstzeugnisse dieser Pionierakademikerinnen mit mehr Quellenkritik hätten beleuchtet werden müssen.
Das frauenpolitisch motivierte Projekt kann logischerweise nicht davon ausgehen, bei seinen Interpretationen
immer auf ungeteilte Zustimmung zu treffen. Manche sind vielleicht etwas konstruiert oder vielleicht
zu künstlich, doch scheint dies bei einem frauenpolitischen Projekt eher normal und vielleicht auch
verzeihlich. Im Bewusstsein durch eine solche Äußerung und als männlicher Rezensent schnell in die
Schussbahn zu geraten, kann der Rezensent aber auch sagen, dass er das Buch - als Mann - nicht nur
interessiert fand, sondern sogar gerne gelesen hat.
Zeitweise bewegt sich die Autorin selbst nicht immer ganz auf sicherem Terrain, wenn sie in einzelnen
Passagen, z.B. S. 181-191 (zu) häufig mit Formulierungen wie „wohl", „anscheinend", „dürfte" u.ä. operiert
. So flüssig lesbar, zeitweise sogar nicht nur historisch sondern auch unterhaltsam und kurzweilig das
Buch auch geschrieben ist, so störend sind jedoch auch die zahlreichen, ja überzähligen, umgangssprachlich
-journalistischen Formulierungen (beispielsweise S.14 „engagierter Nazi", S.28 „frühe Frauenpower
", S.52 „gefährlich gescheit und völkisch verrannt", S.218 „Nazielementen", usw.). Die blumigen
Formulierungen des Inhaltsverzeichnisses sind oft nichtssagend, beinträchtigen oder stören mitunter auch
die Seriosität der historischen Quellenarbeit und den ungeheuren Fleiß, der in dieser Arbeit steckt. Daneben
gibt es ebenso kleinere, vermeidbare Mängel wie einige fehlende Abbildungsnachweise, im Literaturverzeichnis
und leider sind auch nicht alle Belege in den Fußnoten für den Leser nachvollziehbar.
Dennoch ist unbestreitbar, dass Scherbs Buch nicht nur eine längst überfällige und wichtige Ergänzung
zu Ernst Theodor Naucks Buch über das Frauenstudium an der Freiburger Universität ist, sondern auch
viele neue universitätshistorische Aspekte bringt und die Forschungen zur Freiburger Universitätsgeschichte
bereichert. Dieter Speck
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