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1846, eine Zunahme von knapp über 40% in 28 Jahren. Eine gewisse Ausnahme ist Breisach,
wo die Bevölkerungszahl relativ konstant blieb; allerdings muss man auch hier eine starke Abwanderung
berücksichtigen.15
Aufbruch nach Afrika
Eine wichtige Quelle zum Ablauf der Auswanderung ist neben den Briefen der Auswanderer
eine Informationsbroschüre des badischen Zweigvereins für deutsche Auswanderung.16 Dort
sollte der Auswanderungswillige alle nötigen Informationen zum Thema Algerien-Auswanderung
bekommen. Der Text ist recht sachlich gehalten; mehrmals wird betont, dass man niemandem
die Auswanderung empfehlen oder davon abraten wolle.
Wenn ein Dorfbewohner nach Algerien auswandern wollte, hatte er zunächst einen Antrag
beim Bürgermeister oder einem Amtmann in der Gemeinde zu stellen und sich dort verschiedene
Zeugnisse über die auswandernden Personen, das Vermögen und den Gesundheitszustand
besorgen. Das Ersuchen wurde dann an das zuständige Bezirksamt weitergeleitet, das letztlich
über die Auswanderung entschied. Daneben musste auch die französische Präfektur in Colmar
die Erlaubnis zur Auswanderung nach Algerien geben. Dieses doppelte Verfahren machte illegale
Auswanderungen fast unmöglich: Ohne die nötigen Papiere, die nur über die badischen
Behörden zu erhalten waren, gab es auch von französischer Seite keine Erlaubnis zur Auswanderung
.
Um zu verhindern, dass der Auswanderer nicht bezahlte Schulden hinterließ, eröffneten die
badischen Behörden außerdem ein Schuldenliquidationsverfahren: In der Zeitung wurde die
Auswanderungsabsicht offiziell bekannt gegeben und den Gläubigern Gelegenheit gegeben,
ihre Schulden einzutreiben. Außerdem lösten die Auswanderer ihr Vermögen auf; sie verkauften
ihren gesamten Besitz, um die Ansiedlung in der neuen Heimat zu finanzieren. Die wenigen
reicheren Auswanderer ließen oft ein gewisses Vermögen zurück, um bei einer eventuellen
Rückkehr abgesichert zu sein.
Im Fall der Algerien-Auswanderung musste ein bestimmtes Vermögen nachgewiesen werden
, um von der französischen Verwaltung die Erlaubnis zur Einreise nach Algerien zu erhalten
. Man wollte sicherstellen, dass nur solche Leute nach Algerien kamen, die wirklich in der
Lage waren, sich dort eine Existenz aufzubauen. Seit Januar 1846 musste eine Familie den
Besitz von mindestens 1.200 Franc vorweisen können; außerdem waren Kinder unter 12 Jahren
nicht zugelassen, es sei denn, die Eltern konnten nachweisen, dass für alle Fälle in Algerien
jemand bereitstünde, um für deren Unterhalt zu sorgen. 1853 verschärfte das Kriegsministerium
die Bedingungen: Kolonisten, die Land erhalten wollten, mussten mindestens 2.000,
Arbeiter, die keinen Landbesitz anstrebten, mindestens 100, wenn sie verheiratet waren, 400
Franc Vermögen nachweisen können. Ausdrücklich warnt die Broschüre des Zweigvereins für
deutsche Auswanderung davor, diese Regeln auf die leichte Schulter zu nehmen. Es war mehrfach
vorgekommen, dass Auswanderer ohne ausreichendes Vermögen losgezogen waren und
in Marseille, wo sie das Vermögen vorzeigen mussten, nicht auf das Schiff gelassen wurden;
sie mussten ohne jede Hilfe ihre Rückkehr organisieren.
Da viele Auswanderer zu arm waren, um die nötigen Summen aufbringen zu können, entschlossen
sich einige Gemeinden, die Kosten für die Auswanderung einer Gruppe von Vermögenslosen
zu übernehmen. In „Hansa. Organ für deutsche Auswanderung, Kolonisation und
überseeischen Verkehr", heißt es dazu 1854: Namentlich suchen die Gemeinden durch Fort-
15 Günther Haselier: Geschichte der Stadt Breisach am Rhein. Bd. 2. Der Niedergang Breisachs von 1700 bis
1890. Breisach 1971, S. 663.
16 GLA, 349/1769: „Wohlgemeinter Rath des badischen Zweigvereins für deutsche Auswanderung an jene seiner
Landsleute, welche nach Algerien auszuwandern beabsichtigen". Karlsruhe 1854.
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