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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 96
(PDF, 49 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0096
Wie kann man sich die Ankunft der Auswanderer in ihrer neuen Heimat vorstellen? Anschauliche
Berichte aus erster Hand liegen leider nicht vor. Eine eindrucksvolle Illustration ist
ein Ausschnitt aus dem französischen Roman „La Fontaine Rouge" von Jean Montupet, der
unter dem Titel „Das Haus Vermorel" 1959 ins Deutsche übersetzt wurde. Es wird die Ankunft
einer französischen Kolonistenfamilie auf ihrem Land in der Mitidjaebene geschildert: Plötzlich
änderte sich die Landschaft. Keine Felder mehr, keine Gärten; graue Einöde, wildes Land,
bedeckt von dichtem Gebüsch, stachligem Ginster, Mastixbäumen und Zwergpalmen. Nichts
lenkte Auge und Gedanken ab. Einmal nur ein elendes kleines Zeltdorf mit Hütten aus Blattwerk
und getrocknetem Lehm, umschlossen von Feigenbäumen ... Nackte, schmutzige Kinder
rannten schreiend davon. Ein junger, in Lumpen gehüllter Araber, begaffte neugierig die vorüberziehende
Kolonne ...

Dann kamen die Sümpfe, trübe Wasserlachen, von Schilf und Gras umstanden; die Hufe der
Pferde, die Räder platschten durch den flüssigen, grünlichen Schlamm, Binsen und Rohr zermalmend
. Faulig übelriechendes Wasser bespritzte die Wagen. Die Frauen hielten sich mit den
Taschentüchern die Nasen zu und pressten die Lippen zusammen. Als sie wieder festen Boden
gewonnen hatten, glaubten sie plötzlich in der Ferne Reiter zu sehen. Sofort griffen die Männer
zu den Gewehren; aber der Feind, wenn er es wirklich war, ritt in anderer Richtung davon
, und sie setzten die Reise ohne Zwischenfälle fort ...21

Ganz so unwirtlich dürfte es Anfang der 1850er-Jahre, als die meisten Einwanderer vom
Kaiserstuhl eintrafen, schon nicht mehr zugegangen sein; insbesondere die Gefahr von Überfällen
durch die Einheimischen hatte nach der endgültigen Niederschlagung des Aufstands
einiger Berberstämme unter Abd el-Kader 1847 erheblich abgenommen. Die meisten Teile von
Algerien galten als befriedet.

Das Leben in Afrika

Etwa 20 Briefe der Algerien-Auswanderer an Verwandte und Nachbarn am Kaiserstuhl geben
Aufschluss über die Lebensbedingungen der Auswanderer in Algerien. Die Briefe wurden vom
Bezirksamt Breisach in einer Akte mit dem Titel „Sammlung der Notizen über das Schicksal
der Auswanderer" aufbewahrt.23 Am Anfang der Akte findet sich eine Aufforderung des Oberamts
Breisach an die Bürgermeisterämter Jechtingen und Burkheim, Nachrichten über das
Schicksal der Auswanderer einzuschicken, damit man prüfen könne, ob die Förderung der Algerien
-Auswanderung sinnvoll sei.

Leider decken die Briefe nur einen sehr schmalen Zeitraum ab, nämlich von 1853 bis 1859,
was wohl daran liegt, dass die badische Regierung nach 1860 die Auswanderung nach Algerien
praktisch vollständig unterband und so auch kein Interesse mehr daran bestand, über die
Lebensbedingungen informiert zu sein. Oft handelt es sich um die erste Nachricht aus der
neuen Heimat. Über das Leben der Auswanderer nach 1860 gibt es sehr wenige Quellen; nur
für die Auswanderer aus Pfaffenweiler sind einige spätere Briefe erhalten.

Aus den bereits erwähnten Bedingungen für eine Algerien-Auswanderung geht hervor, dass
es zwei Kategorien von Einwanderern gab: Nämlich Siedler, die eigenes Land bebauten, und
Arbeiter oder Handwerker, die nicht über eigenes Land verfügten. Grundsätzlich war die Situation
für Siedler wesentlich besser als für Arbeiter oder Handwerker. In einem französischsprachigen
Bericht des österreichischen Vize-Konsuls aus Böne vom 14. Mai 1853 heißt es
dazu:24 Die deutschen Emigranten, die keine Konzessionen [für Land] erhalten konnten, waren
wirklich unglücklich; viele von ihnen fanden sich, durch Krankheiten geschwächt, im

22 Zitiert nach Freiherr von Weber (wie Anm. 9), S. 450.

23 StAF, B 694/1, Nr. 56 (wie Anm. 1). Beim StAF ist ein Computerausdruck der Briefe erhältlich.

24 GLA, 236/17186: Die Auswanderung nach Algier. Übersetzung Deutschmann.

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