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sen sich die schwierigeren Bedingungen in der Umgebung von Oran vielleicht damit erklären,
dass die Franzosen die Stadt schon 1831 annektiert haben, während Constantine erst 1837 erobert
werden konnte. Das Land in der Umgebung von Oran war wohl schon weitgehend vergeben
, während in der Provinz Constantine die Kolonisierung noch nicht so weit fortgeschritten
war. Für die Gegend um Algier, die als erste in Besitz genommen worden war, erwähnt die
Broschüre des Zweigvereins für deutsche Auswanderung jedenfalls eine solche Situation; dort
würden nur noch vermögendere Siedler zugelassen.
Ein Problem bestand wohl auch in der Verpflichtung, das Land innerhalb einer bestimmten
Frist urbar zu machen: So wird in einem Brief aus Sidi-Lhassen das Schicksal der Familie Bittdorf
aus Breisach geschildert, die zwar ausreichend Geld hatte, um eine Konzession zu erhalten
, aber nicht genug, um sich einen Zugochsen und Ackergerät anzuschaffen und das Land
auch wirklich zu bebauen.27 Bis zum Ablauf der Frist war es nicht mehr lang und die Familie
fürchtete, ihre Konzession und damit ihre Existenzgrundlage zu verlieren. Der Brief, geschrieben
vom deutschen Pfarrer in Sidi-Lhassen, enthält die Bitte an das Bezirksamt Breisach,
die vorzeitige Auszahlung der Erbschaft der Bittdorf'sehen Kinder, die von einem Treuhänder
in Breisach verwaltet wurde, zu genehmigen, um so die zum Ackerbau nötigen Geräte und
Tiere anschaffen zu können.
Auch den weiblichen Familienmitgliedern bot sich die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit. In
einem anderen Brief aus Sidi-Lhassen wird erwähnt, dass ein Mädchen als Dienstmädchen zu
einer anderen Familie gegeben wurde: Deshalb haben wir es in einen Dienst getan, dass es
französisch lernt, die es beide Sprachen gut kann und jetzt schon sechs Monate bei der Herrschaft
ist und immer per Monat seine 32 Franken verdient. Johann Weng erwähnt ebenfalls in
seinem Brief, ein Mädchen könne mit Nähen drei Franc verdienen.
Ein in fast jedem Brief auftauchendes Thema sind die Krankheiten, denen zahlreiche Einwanderer
infolge des ungewohnten Klimas zum Opfer gefallen sind. So berichtet zum Beispiel
Johann Weng in seinem Brief an Stephan Holzer in Wasenweiler: Von den Krankheiten: In
Bonn [eigentlich Böne] leidet meine Frau und die zwei Mädchen an den Augen und in unserem
Ort kommt das Augenweh wieder, endlich das Fieber und Peter auch. Als sie drei Tage dalagen
, kam das Fieber an mich, so dass wir dalagen und keiner dem anderen helfen konnte.
Etwas weiter unten warnt der Briefschreiber: Wer nach Afrika reisen will, besinne sich, denn
die Sache ist nicht so leicht, wie ihr glaubt. Am Morgen frisch und gesund, am Abend, dass
man nicht mehr stehen kann, Kinder sterben, denn es kann bald einem Alten es verleiten, denn
es muß eine gute Natur haben, bis es besser geht. Ich habe geglaubt, ich könne Eisen fressen,
aber hier vergeht es.
Umso angenehmer waren die Siedler von der kostenlosen medizinischen Versorgung überrascht
, die in mehreren Briefen erwähnt wird. So heißt es in einem Brief aus Sidi-Lhassen:
Geht man ins Spital, so kostet es keinen Sous, alles bezahlt die Regierung oder der Staat.
Einige Siedler, die sich in der Nähe von Constantine niedergelassen hatten, traf ein besonders
hartes Schicksal: Nach einer ohnehin schon schlechten Zeit mit Trockenheit, Krankheiten
und schlechter Ernte zerstörte am 21. August 1856 ein Erdbeben ihre Häuser. Ein Brief von
Elisabeth Baier vom 7. September 1856 vermittelt gerade wegen des unbeholfenen Stils der
Schreiberin in sehr eindrucksvoller Weise die Todesangst der Betroffenen: Auch will ich Euch
zu verstehen geben, so gut ich kann, wie das Erdbeben ankommt. Nämlich es kommt mit einem
Wind, der pfeift, und der Erdboden zugleich in Bewegung und dann geht's aber rrr und nachdem
bum, bum, bum, dann stehen die Menschen da und heben sich eins am anderen und donnerten
ein Vaterunser. Gedenkte einmal wie schauderhaft, wenn ihr dasteht auf der wackelnden
Erde und müsstet zuschauen die Häuser zusammen fallen in der Staub in die Höhe fahren,
da glaubt man an Gott Vater, der über uns ist.
27 StAF, B 694/1, Nr. 469: Die Auswanderung des Gervas Bittdorf.
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