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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 113
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notwendige Resultat menschlichen Zusammenseins. Wie die Moral sich aus der menschlichen Natur entwickelt
hat, so ist sie auch weiterer Entwicklung fähig. Eine Ethik auf diesen Grundsätzen aufzubauen,
betrachtet der Monismus als eine seiner höchsten Aufgaben.

Der Monismus betrachtet den Staat ebenfalls als das Ergebnis menschlichen Daseinskampfes und Organisationsstrebens
und erblickt das Entwicklungsziel des Staates darin, grösstmögliche Freiheit des Einzelnen
mit vollkommener Ordnung des Ganzen zu verbinden.

Der Monismus erstrebt eine Zusammenfassung aller auf dem Boden einer wissenschaftlichen Weltanschauung
stehenden Persönlichkeiten und Vereinigungen, um so den einflussreichen Mächten begegnen
zu können, die stets geneigt sind, die Forschungs- und die Gewissensfreiheit zu unterdrücken.

Die Aktualität einiger dieser Positionen hatte sich im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts
bereits in zwei europäischen Ländern gezeigt: der Sieg des Laizismus in Frankreich 1905; und
in der Schweiz die Trennung von Kirche und Staat im Kanton Genf 1909, kurz darauf im Kanton
Neuenburg sowie im Frühjahr 1910 im Kanton Basel-Stadt. Hier erstmals im deutschsprachigen
Raum, wo der FZAS im August 1907 seine erste Loge eröffnet hatte.19

Der Monist und seit kurzem auch Logenbruder Wilhelm Ostwald engagierte sich mit seinen
naturwissenschaftlich kultivierten Überzeugungen, in welchen der von ihm kreierte Begriff
des „energetischen Imperativs" stets eine Schlüsselstellung einnahm, nicht nur öffentlich,
sondern griff damit auch in die Innenarbeit des FZAS ein. Dies zeigte sich noch im Jahr seiner
Aufnahme anlässlich einer Debatte um Änderungsvorschläge einer norddeutschen Loge
in den „Grundsätzen und Ordnungen" des Bundes. So vertrat er in einem zweiseitigen Beitrag
des Novemberhefts 1911 der „Vertraulichen Mitteilungen" die Meinung, eine jede Arbeitsgemeinschaft
sei im Sinne des energetischen Imperativs verpflichtet, günstigste Koexistenzbedingungen
herzustellen, weshalb er als Konsequenz die Aufnahme Suchender aus dem
streng orthodoxen Christentum sowie aus dem streng orthodoxen Judentum in den FZAS
vehement ablehnte. Solche Interessenten hätten schließlich die Möglichkeit, sich einer der
Altlogen-Obedienzen anzuschließen, von welchen der FZAS sich doch ausdrücklich absetzen
wollte.20

Bekannt geworden war den Freiburger Gründern, früher Straßburger FZAS-Mitgliedern, in
jener Zeit durch einen Vortrag auch die Geschichte der Logen Elsaß-Lothringens vor 1870/71,
da das freimaurerische Leben zur Zeit der französischen Verwaltung in beinahe allen bedeutenden
Orten ... ein sehr reges gewesen war. Und sie mussten im Übrigen darin zur Kenntnis
nehmen, dass jene Bauhütten nach der Annexion förmlich aufgehoben bezw. verboten [wurden
], weil sie französische Tendenzen verfolgten. Von großer Bedeutung für die deutschfranzösischen
Beziehungen im freimaurerischen Logenwesen waren und sind diese historischen
Fakten deshalb, weil gerade ein Freiburger, zuvor Mitglied einer FZAS-Bauhütte im
jetzt wieder französischen Straßburg, kaum anderthalb Jahre nach dem Ende der Kampfhandlungen
im Frühjahr 1920, den Kontakt zu einem Angehörigen, obendrein Militär der ehemaligen
Feindmacht Frankreich, suchte und nicht nur bei ihm, Gaston Moch, damit auf sympathisches
Interesse stieß, sondern bald darauf beide Männer - ausgehend von Basel und Freiburg
- dazu beigetragen hatten, dass sich in Paris obedienzenübergreifend eine „Groupe Macon-
nique FRATERNITE-RECONCILIATION", eine der brüderlichen Versöhnung verpflichtete
Freimaurergruppe, konstituieren konnte. Der Wille dazu war bei den Reformfreimaurern des
FZAS indes schon recht früh erkennbar, da nämlich die Bundesleitung zum Studium pazifistischer
Fragen im Sommer 1918 in den „Vertraulichen Mitteilungen", also nach vier Jahren

19 Derzeit gewinnt jener Diskurs von vor hundert Jahren unter anderem Vorzeichen und im Zusammenhang mit der
europäischen Verfassung an Bedeutung, da konservative Kräfte das Thema „Gott" einzubeziehen wünschen und
progressive Kräfte es kategorisch ausschließen. Zu Basel siehe Auflistung in Mebes, Schau-ins-Land 122 (wie
Anm. 1), S. 190, dort Anm. 3.

20 Wilhelm Ostwald hatte anscheinend nicht erkannt oder wollte 1911 nicht erkennen, dass ein „energetischer Imperativ
" im gesellschaftlichen Bereich höchst missbräuchlich instrumentalisiert werden konnte.

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