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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 156
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0156
Ebenso pauschal fiel die Bewertung des Sondergerichts hinsichtlich des in einem anderen
Fall abgehörten Schweizer Senders Sottens bei Genf aus. Es sei gerichtsbekannt, so das Gericht
, dass dieser Sender deutschfeindlich sei und daß seine Nachrichten geeignet waren, die
Widerstandskraft des deutschen Volkes zu gefährden.14 Mit Fortdauern des Krieges wurde das
Mithörenlassen Dritter - also wenn anderen Personen die Möglichkeit gegeben wurde, beim
Abhören teilzunehmen - zunehmend ebenfalls als Weiterverbreitung im Sinne des § 2 gewertet
: Daß das absichtliche Abhören lassen dritter Personen als , Verbreiten' im Sinne der Rundfunkverordnung
angesehen werden muß, so das Sondergericht Freiburg in einem anderen Urteil
aus dem Jahre 1944, ist jetzt unbestritten.15 Das Sondergericht Berlin etwa ging diesbezüglich
soweit, selbst das nahezu unvermeidliche Mitanhören des Ehepartners in der
gemeinsamen Wohnung als Weiterverbreitung zu weiten: Der angeklagte Ehemann habe, so
die Entscheidung des Berliner Sondergerichts, nicht nur fortgesetzt absichtlich ausländische
Sender abgehört, sondern deren Nachrichten teilweise dadurch verbreitet, daß er den Empfang
in Gegenwart der Ehefrau betrieb und somit auch dieser die Sendung als Zuhörer vermittelte.16
Auch wenn es hierzu abweichende Entscheidungen gab, so kennzeichnen die beiden letztgenannten
Urteile gewissermaßen die Endphase der sondergerichtlichen Urteilspraxis die Wei-
terverbreitungstatbestände betreffend, wie sie ebenso in anderen Sondergerichtsbezirken zu
beobachten ist.

Die Anwendung des Verbreitungsparagrafen diente offenbar vor allem einem Zweck: der
Verhängung eines höheren Strafmaßes. Während bei gewöhnlichem Abhören in so genannten
leichten Fällen Gefängnisstrafen von durchschnittlich unter einem Jahr verhängt wurden,
sprach das Sondergericht Freiburg bei allen Abhör- und Verbreitungstatbeständen, bei denen
der § 2 zur Anwendung gelangte, grundsätzlich - bis auf eine Ausnahme - nur Zuchthausstrafen
aus. Das Strafmaß lag dabei im Schnitt bei etwas über eineinhalb Jahren. Allerdings
konnten für das bloße Abhören ohne Weiterverbreitung aus ideologischen und Abschreckungsgründen
auch höhere Strafen verhängt werden. So begründete das Sondergericht
Freiburg eine zweijährige Gefängnisstrafe gegen einen Elektromonteur, der zugegeben hatte
wegen Stalingrad etwa ein Dutzend Mal Radio Beromünster abgehört zu haben, wie folgt:

Bei der Strafzumessung fiel erschwerend ins Gewicht, daß der Angeklagte lange Zeit hindurch
und allen Warnungen seiner Ehefrau, in der Presse und durch bekannt gewordene
Strafurteile zum Trotz, sein Ohr dem Ausland geliehen hat. Wenn er diese Nachricht auch
nicht weiterverbreitete, so ist doch klar, daß er durch diese ständige Beeinflussung, insbesondere
durch die bekanntgegebenen feindlichen Heeresberichte, innerlich unsicher
und zweifelnd geworden war und daher eine Gefahr für die Heimatfront bildete. Auch der
Abschreckungsgedanke bedurfte der Betonung.11

Der Abschreckung unter Verweis auf die „Dolchstoßlegende" von 1918 diente auch die Verhängung
einer fünfzehnmonatigen Gefängnisstrafe gegen eine 19-jährige Näherin, der vorgeworfen
worden war, zwischen Januar und Mai 1943 mehrfach den Schweizer Sender
Beromünster abgehört zu haben:

Bei der Strafzumessung war zu berücksichtigen, daß die Regierung in der jetzigen Kriegszeit
das Abhören von Auslandssendern jeder Art untersagt hat, um die Aushöhlung der
Heimatfront, die der Feind durch seine Rundfunkpropaganda bezweckt, zu unterbinden,
damit das deutsche Volk nicht wieder ein solches Unglück wie 1918 trifft. Die Angeklagte
war sich über ihr unrechtmäßiges Tun, das nur als Verrat am deutschen Volk bezeichnet

™ Urteil vom 23.5.1944; StAF, A30/1-5/61.

75 Urteil vom 13.1.1944; StAF, A47/1-1757.

76 Urteil des Sondergerichts VII Berlin vom 26.3.1945; Landesarchiv Berlin (LAB), Rep. 58, Nr. 148934.

77 Urteil des Sondergerichts Freiburg vom 23.9.1943; StAF, A47/1-1673.

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