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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 160
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dingungen wie Zwangsarbeiter bis zu zwölf Stunden pro Tag arbeiten mussten. Insbesondere
das Zuchthaus galt als „Haus des Schreckens".87 Dennoch zielte der justizielle Strafvollzug
nicht auf die Vernichtung der Strafgefangenen, sondern insgesamt bestand, wie eine Studie
bilanzierte, „zur Situation der Gefangenen in den Polizeigefängnissen und Konzentrationslagern
ein eindeutig qualitativer Unterschied".88

Allerdings hatte sich der Ministerrat für Reichs Verteidigung bereits im ersten Kriegsjahr
eine besonders perfide Anordnung zum Strafvollzug einfallen lassen. Die so genannte „Kriegstäter
"-Verordnung: Laut dieser „Verordnung über die Vollstreckung von Freiheitsstrafen wegen
einer während des Krieges begangenen Tat" vom 11. Juni 1940 wird die in die Zeit des
Kriegszustandes fallende Vollzugszeit in die Strafzeit nicht eingerechnet.*9 Das hieß, die Straf-
verbüßung während des Krieges zählte nicht, erst nach Beendigung des Krieges sollte die in
Strafhaft verbrachte Zeit berechnet werden. Dies galt für alle wehrfähigen Straftäter bis zum
Alter von 45 Jahren, gegen die Zuchthausstrafen über ein Jahr, später zwei Jahre, verhängt
worden waren. Darüber hinaus sollte die Strafvollstreckung unter „verschärften Bedingungen"
vollzogen werden, wofür die Strafgefangenen in spezielle Straflager wie beispielsweise den
Emslandlagern oder dem Elberegulierungslager in Griebo/Coswig überführt wurden. Es gab
nur einen Weg diesen Straflagern zu entkommen: die „Frontbewährung". Der Fronteinsatz erfolgte
zum Teil in den Straf- bzw. Bewährungskompanien 999 der Wehrmacht, wo die Betreffenden
oft schnell den Tod fanden.90

Die als „Kriegstäter" geführten Strafgefangenen wurden auf einer Liste für „unterbrochene
Zuchthausstrafen" vermerkt und nach anstaltsärztlicher Prüfung der „Lagerfähigkeit" in eines
der Straflager für Justizgefangene überstellt. Die Gestapo, die auch nach der gerichtlichen Aburteilung
nicht die Kontrolle insbesondere über die politischen Delinquenten unter den „Rundfunkverbrechern
" aus der Hand zu geben gedachte, wachte argwöhnisch über den Strafvollzug
. So wandte sich die Gestapo-Leitstelle in Karlsruhe bereits wenige Tage nach der Urteilsverkündung
an den Oberstaatsanwalt beim Sondergericht Freiburg, um sich über die
Strafvollstreckung gegen den Blechner M., ein ehemalige SPD-Mitglied und kleinen Funktionär
aus Triberg im Schwarzwald, der wegen Abhörens zu einem Jahr und drei Monaten
Zuchthaus verurteilt worden war, zu erkundigen:

Ich bitte um Mitteilung, ob M. als Kriegstäter gilt, d. h. ob seine Strafhaft erst nach
Kriegsende zu laufen beginnt. Sofern dies nicht zutrifft, bitte ich um Mitteilung in welcher
Strafanstalt er seine Strafe verbüßt, da ich beabsichtige, ihn anschließend in Schutzhaft
zu nehmen.91

Das Ansinnen der Gestapo erübrigte sich letztlich dadurch, dass der Oberstaatsanwalt eine
Strafaussetzung zum Zwecke des Fronteinsatzes verfügte und der Verurteilte schließlich zur
Wehrmacht einberufen wurde. Später wurde er als vermisst aus Griechenland gemeldet.

Das Verfahren, politische Strafgefangene oder so genannte „Volksschädlinge" nach Beendigung
der Strafhaft in ein Konzentrationslager zu überstellen, stellte schon früh eine gängige
staatspolizeiliche Praxis dar. Bereits 1935 hatte die Preußische Geheime Staatspolizei den

87 Vgl. etwa den Titel von Wolfgang Sarodnick: „Dieses Haus muss ein Haus des Schreckens werden Strafvollzug
in Hamburg 1933 bis 1945. In: „Für Führer, Volk und Vaterland Hamburger Justiz im Nationalsozialismus
. Hg. von der Justizbehörde Hamburg. Hamburg 1992, S. 332-381.

88 Rainer Möhler: Strafvollzug im „Dritten Reich". Nationale Politik und regionale Ausprägung am Beispiel des
Saarlandes. In: Strafvollzug im „Dritten Reich". Am Beispiel des Saarlandes. Hg. von Heike Jung und Heinz
Müller-Dietz. Baden-Baden 1996, S. 9-302, hier S. 109.

89 Vgl. RGBl. 1940 I, S. 877.

90 Hierzu Hans-Peter Klausch: Die Geschichte der Bewährungsbataillone 999 unter besonderer Berücksichtigung
des antifaschistischen Widerstandes. 2. Bde. Köln 1987.

91 Schreiben der Staatspolizeileitstelle Karlsruhe vom 2.11.1942, im Auftrag, gez. Herberg; StAF, A47/1-1025-
1029.

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