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tungen der Besatzungsmächte zurückblieb. Die Auflösung der Spruchkammern, die Amnestieverordnung
der Militärregierung vom 13.07.1948 sowie der Erlass des Straffreiheitsgesetzes
vom 31.12.1949 - die erste Amnestie der neuen Bundesrepublik - trugen ebenfalls dazu bei,
dass eine Aufarbeitung der NS-Zeit nicht stattfand.29
Wurden bei der Schülerschaft auch strenge Maßstäbe angelegt? Sie wurde von dem französischen
Germanisten Raymond Schmittlein - er war für die Öffentliche Erziehung zuständig
- ebenfalls einer strengen Untersuchung unterworfen; einige Schüler sahen sich vom Unterricht
ausgeschlossen. Vor allem die Gymnasiasten der Oberstufe hatten sich in NS-Gruppie-
rungen betätigt, als Hitlerjugend- oder Fähnleinführer, im Bund Deutscher Mädel oder waren
in einer Nationalpolitischen Erziehungsanstalt (NAPOLA) gewesen. Einige Schüler durften
erst im Frühjahr 1946 wieder am Unterricht teilnehmen.
Das Schulgebäude - es war Eigentum des Badischen Staates, die bauliche Unterhaltung oblag
aber seit 1940 der Stadt30 - befand sich in beklagenswertem Zustand: Das Türmchen war
schadhaft, auf dem Schieferdach fehlten rund 800 Platten, die Kamine mussten instand gesetzt
werden, das Dach der Turnhalle wies Fliegerschäden auf, die Wasserrohre in den WCs waren
verrostet, rund 3/5 der Fensterscheiben zerschlagen. Unter schwierigsten Bedingungen begann
das Schulleben in Freiburg, zumal nur zwei Schulgebäude den 2.500 bis 3.00031 Oberschülern
zur Verfügung standen: das Katholische Institut St. Ursula und das FG. Direktor Breithaupt
organisierte Sperrholz, damit die Fenster wenigstens notdürftig geschlossen werden konnten.
Daher war es in den Räumen nicht nur dunkel, sondern auch noch kalt - und das in dem überaus
strengen Hungerwinter 1946/47! Im Juni 1947 drängten sich nach Angaben Breithaupts immer
noch 2.200 Schüler in diesem Gebäude, obwohl bereits etliche Klassen der Oberrealschule
I, des späteren Rotteck-Gymnasiums, in ihr Haus zurückgekehrt waren.32 In den Klassenzimmern
befanden sich ausrangierte Tische und Bänke, Schreibmaterial war extrem knapp, Hefte
gab es nicht, Schulbücher und Landkarten zunächst ebenfalls nicht. Unterrichtsmaterial wurde
von der Militärregierung streng geprüft, denn Bücher, die während der NS-Zeit erschienen
waren, durften grundsätzlich nicht mehr benutzt werden, es sei denn mit einer speziellen Ausnahmegenehmigung
der Besatzungsmacht. Daher wurde bald Schulmaterial aus der Schweiz
oder aus der amerikanischen Besatzungszone nachgedruckt, u.a. im Herder-Verlag. Bis 1949
diente der Stempel der französischen Militärregierung als Nachweis für die erteilte Genehmigung
.33 Der Keller unter der Turnhalle wurde ebenfalls genutzt, hier lagerte Papier für die Militärregierung
und das Staatskommissariat, welches damit die Lebensmittelkarten druckte.
Der Unterricht für die vier Höheren Schulen, die „Vereinten Knaben-Oberschulen" und die
Schülerinnen der „Vereinten Mädchenoberschulen" sowie die humanistischen Gymnasien
musste in dem nur notdürftig instand gesetzten Haus am Aschoff-Platz zwei Jahre lang in drei
(!) Schichten erteilt werden.34 Das bedingte eine Verkürzung der Stundentafeln auf 12 bis 20
29 Grohnert (wie Anm. 27), S. 186 ff. Ebenso Reinhard Grohnert: Die „auto-epuration". Der französische Sonderweg
in der Entnazifizierung (wie Anm. 27), S. 165-185, hier 184 f. Ausführlich hierzu bei Norbert Frei: Vergangenheitspolitik
. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. München 1996, passim.
30 Seit 04.08.1938 ist laut Gesetz das Land Eigentümer des Schulgebäudes (StadtAF, C5/1684, S. 149); ebd., S.
115, Vereinbarung vom 15. März 1940.
31 In der Festschrift des Rotteck-Gymnasiums (wie Anm. 5), S. 156, werden über 3.000 Schüler genannt, in der des
Droste-Gymnasium 2.500 (Erika Wellmer/Michael Tocha: Geschichte des Droste-Hülshoff-Gymnasiums
1946-1976. In: Droste-Hülshoff-Gymnasium Freiburg i. Br. 1946-1976, Hg. von Aloys Klocke. Freiburg 1977,
S. 17-24).
32 Rotteck-Gymnasium (wie Anm. 5), S. 160.
33 Valerie Thibault: Die Reorganisation des gymnasialen Schulwesens in Freiburg im Breisgau 1945-1949.
Magisterarbeit. Tours 1997-1998, S. 20 f.
34 Droste-Hülshoff-Gymnasium (wie Anm. 31), S. 17; Wolfgang Hug: Zwischen „Trivialschule" und Gesamtschule
. Die Entwicklung des Freiburger Schulwesens. In: Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau. Bd. 3. Von
der badischen Herrschaft bis zur Gegenwart. Hg. von Heiko Haumann und Hans Schadek. Stuttgart 1992, S.
587-612, hier S. 603; Breithaupt (wie Anm. 3), S. 30; Günter (wie Anm. 14), S. 61 f.
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