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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 206
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0206
schenfall gratis gedruckt und verteilt.67 Die Gegenmeinung des AStA war nicht erwünscht. In
der Freiburger Oberschicht sprach sich herum, dass der OB verärgert über das Freiburger Extrablatt
war. Die Geschäftsleitung des Rombach Verlags entschuldigte sich persönlich für den
Druck des Flugblattes, das in solch schäbiger Weise die Freiburger Verhältnisse anprangert,
und erklärte, daß wir aus eigenem Entschluß die Herstellung der , Freiburger Studentenzeitung
' abgegeben haben. Flugblätter würden nicht mehr unbesehen, also unzensiert, gedruckt.68
Auch die Stadt zeigte ihrerseits Entgegenkommen gegenüber der Freiburger Geschäftswelt.
Einem Ladeninhaber gegenüber erklärte sie sich bereit, die Adressen der Ruhestörer zu nennen
, damit er gerichtlich gegen die Demonstranten vorgehen könne.69

Welche Haltung Keidels Handeln bestimmte, zeigt sich in der Antwort auf eine Bürgerzu-
schrift. Eine kleine Minderheit wolle all das zerstören ... was seit dem Krieg mit so viel Geduld
, Beharrlichkeit und Opfern von allen Gutwilligen aufgebaut und geleistet wurde.70 Gegen
den Undank der ersten Nachkriegsgeneration schloss man sich zusammen. In den Auseinandersetzungen
wurden die Bürgermeister, die Stadträte, kurz die Repräsentanten der Stadt regelmäßig
als Stadtväter bezeichnet.71 Dieser Begriff trifft sehr gut die paternalistische Beziehung
der städtischen Funktions- und Würdenträger - übrigens ausnahmslos Männer - zu den Demonstranten
. Während die Schüler und Studenten um ihre Anerkennung als politische Subjekte
stritten, behandelten die Stadtväter die Angelegenheit wie einen Freiburger Familienstreit
. Sie waren bereit, mit „harter Hand durchzugreifen", aber betrachteten die Demonstranten
doch als „ihre" Jugend und nicht als Vertreter einer feindlichen politischen Kraft.

Die Gemeinderatsentscheidung

Unter reger öffentlicher Teilnahme begann am Nachmittag des 15. Februars die Sondersitzung
des Gemeinderats, die eine Woche zuvor im Haus der Jugend durchgesetzt worden war. Diesmal
fand die Sitzung im Historischen Kaufhaus statt und die Debatte wurde per Lautsprecher
auf den Platz übertragen, so dass alle Interessierten sie verfolgen konnten. Zu Beginn der Sitzung
sprachen Vertreter des DGB, des AStA und der Schüler. Der AStA-Vertreter argumentierte
: Ein städtisches Defizit kann z. B. auch durch Steuererhöhungen, Subventionskürzungen
ausgeglichen werden ... Warum haben eigentlich die Gemeinden nicht lautstarke Proteste erhoben
, als die Mehrwertsteuer auch für kommunale Versorgungsbetriebe eingeführt wurde?
Warum wenden sie sich nicht gegen Notstandsmaßnahmen des Bundes, für die der Schloßbergbunker
ein eindrucksvolles Beispiel ist? ... Wenn die Verwaltung die statt gefundenen Demonstrationen
verurteilt möge sie dabei aber bedenken, daß diese für die Betroffenen das einzige
Druckmittel waren, das zur Verfügung steht... Durch die Demonstrationen entstand eine
neue Situation, über die der Gemeinderat aber nicht diskutieren wollte. Eine Verschärfung der
Proteste war die zwangsläufige Folge. Der Oberbürgermeister hat darauf hin wiederum mit
verschärftem Polizeieinsatz reagiert.12 Die Schülersprecherin schloss sich den studentischen
Positionen an: Die Schüler sind mit den Tariferhöhungen bei der Straßenbahn nicht einverstanden
und haben daher in der bekannten Weise demonstriert. Es war dies ihr einziges Mittel
um sich Gehör zu verschaffen. Leider sind die Schüler beim Gemeinderat auf eine oft starre
unnachgiebige und unkluge Haltung gestoßen ... Die Schüler stehen hinter den bekannten
Argumenten der Demonstranten.11

67 StadtAF, C5/5372; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 9042.

68 StadtAF, C5/5372; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 9158.

69 StadtAF, C5/5372; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 9054.

70 StadtAF, C5/5372; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 8986.

71 Vgl. StadtAF, C5/5373; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 11258, 11266, 11347.

72 StadtAF, B5 XHIa Nr. 646 (15.2.1968); Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 9379.

73 Ebd.

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