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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 212
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Zone zu genehmigen. Der Redner, der im Namen der französischen Republik sprach, betonte überdeutlich
die antipreußischen Reaktionen der badischen Bevölkerung von 1849, die zur „Deprussianisation",
einer von den Franzosen besonders favorisierten Devise der Alliierten, zu passen schienen.

Wie unterschiedlich ein und dasselbe geschichtliche Ereignis nachwirken kann, zeigt Jutta Dresch in
ihrer Zusammenstellung und Untersuchung der Denkmäler. „Sie starben für die Freiheit", diese Inschrift
auf einem Grabstein in Heidelberg für 1849 gefallene badische Freischärler musste 1853 entfernt werden
. Mit einem „Erinnerungsverbot" versuchte die badische Regierung zunächst, die Schatten der Revolution
zu verjagen. Denkmäler standen in den ersten Jahren nur den Siegern zu, das heißt den Gefallenen
der Bundestruppen, allen voran den Preußen (Das Grabmal für den 1849 in Freiburg hingerichteten Potsdamer
Revolutionär Maximilian Dortu wurde ganz privat als Familiengrab errichtet, nahm aber bald den
Charakter eines Denkmals an). 25 Jahre später hatte sich der Umgang mit der Revolution so weit entspannt
, dass in Mannheim ein Grab-Denkmal für die „Märtyrer der Freiheit aus dem Jahr 1849" errichtet
werden durfte, finanziert von ehemaligen Mitstreitern, die in die USA ausgewandert waren.

Exil und Emigration sind auffällige Nachwirkungen der Revolution. Martin Leuenberger schreibt über
die Revolutionsflüchtlinge in der Schweiz, Sonja-Maria Bauer verfolgt die Biographie des 1849 zum Chef
der revolutionären Regierung gewählten Lorenz Brentano als Farmer, Notar und Journalist in den USA.
Wolfgang Hochbrack schreibt über ehemalige badische Revolutionäre in den Staaten Missouri und
Illinois, die sich im Amerikanischen Bürgerkrieg 1861-1865 engagierten und zur Stärkung der Partei
Lincolns beitragen. Der Autor kooperierte bei seinen Forschungen mit Steve Rowan, der in den 1970er-
und 1980er-Jahren viel im Stadtarchiv Freiburg gearbeitet hat. Dass auch in der Heimat das Gedankengut
der 48er nachwirkte, zeigt Bernd Wunder am Beispiel der Verwaltungsreform von 1863, als die Kreisregierangen
als Mittelinstanz aufgehoben wurden.

Zum Stichwort „Bewältigung der Revolution" passen die Beiträge über die politischen und juristischen
Folgen der Revolution. Heinrich Raab erklärt die Struktur des Militärstrafwesens in der Revolutionszeit.
Die preußischen Militärkommandeure durften im Rahmen des Kriegsrechts 1849 nach Standrecht urteilen
und machten hiervon auch Gebrauch: in Mannheim mit sechs Todesurteilen, fünf davon vollstreckt,
in Rastatt mit 21 Todesurteilen, 19 vollstreckt, in Freiburg mit vier Todesurteilen, wovon keines vollstreckt
wurde. Raab stellt fest, dass der Unterschied zwischen Standgericht und Kriegsgericht oft übersehen
wird, wobei die Aktivitäten der Standgerichte besser bekannt sind. Er listet daher die von badischen
Kriegsgerichten zum Tod verurteilten Soldaten auf, die er im Generallandesarchiv und im Staatsarchiv
Freiburg erheben konnte, insgesamt 45 Personen. Oft lautet die Schlussbemerkung „noch flüchtig" oder
„zur Auswanderung begnadigt". Raab knüpft mit dieser nützlichen Liste an sein großes Werk an, die sogenannte
„Raab-Datei" mit Informationen zu etwa 38.500 Personen, die von der Landesarchivdirektion
publiziert wurde. Cornelius Gorka befasst sich mit den Amnestiegesetzen. Der lange und schmerzliche
Weg zur Überwindung des Revolutionsschocks fand erst 1862 ein Ende, als der Großherzog eine Generalamnestie
verkündete. Wolfgang Piereth zeichnet das politische Geschehen im Hintergrund dieser Entwicklung
in seinem Aufsatz „Von repressiver Milde zu politischer Bewältigung" nach.

Die einleitenden Beiträge betreffen das Revolutionsgeschehen. Hans-Peter Becht analysierte in einer
sozialgeschichtlichen Untersuchung die Trägerschichten der badischen Revolution und kam zu dem Ergebnis
, dass die meisten Aktivisten aus der ländlichen Bevölkerung stammten. Sabrina Müller schreibt
über den Status des Militärs im 19. Jahrhundert und die Herkunft der Mannschaften am Beispiel von
Baden, Württemberg und Hessen. Sie erörtert die Frage, warum es nur in Baden zur geschlossenen Erhebung
der Soldaten für die Reichsverfassung kam. Uta Grau und Barbara Guttmann begaben sich auf
die Suche nach den Frauen in der Revolution und waren erfolgreich jenseits der bekannten Gestalten wie
Amalie Struve oder Emma Herwegh. Uwe Schmidt stellt die Schwäbische Legion vor, ein Aufgebot von
bis zu 500 Freiwilligen aus dem Königreich Württemberg, die 1849 zur Unterstützung der badisch-pfälzischen
Streitkräfte bereit waren und an Murg und Oos in die schon aussichtslosen Kämpfe gegen die
Bundestrappen gerieten. Joachim Kermann sammelte Informationen über polnische Offiziere, die nach
der misslungenen Erhebung gegen Russland 1830/31 in die Schweiz und nach Frankreich geflohen waren
und 1849 an der badisch-pfälzischen Revolution teilnahmen. Mieroslawski, der 1849 den Oberbefehl
über die revolutionären Streitkräfte führte, ist der prominenteste von ihnen. Die Kontakte zwischen polnischen
und Pfälzer Freiheitsfreunden kann Kermann bis zum Hambacher Fest 1832 zurückverfolgen.
Der einleitende Beitrag von Hartwig Brandt macht den Leser mit den politischen Besonderheiten Badens
im Vergleich zu den übrigen Mitgliedern des Deutschen Bundes vertraut. Er betont die Identität stiftende

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