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Damit ist zunächst bewiesen, dass sich die im Zusammenhang mit dem oben behandelten
Burgwerft benutzte Formulierung ze sant peter lit bi würi tatsächlich auf das Nordufer der
Dreisam bezog, denn vom „Paradies" waren es zu jener Zeit nur wenige Schritte bis zur St.
Peterskirche in der Lehener Vorstadt.72
Fast noch bedeutsamer ist der zweite Quellenbeleg, weil er Liegenschaften beschreibt, die
sich ebenfalls auf dem Nordufer befanden, aber sehr viel weiter östlich lagen. Es handelt sich
um eine Urkunde aus dem Jahr 1321 über den Verkauf einer Roggengülte von zwei Mühlen
an den Freiburger Bürger Johann Geben. Eine der beiden Mühlen wird dabei als ze nideren
Würi gegen des Ritters badestubun, an dem selben runse, da die selbe badestube an lit beschrieben
.73 Mit dieser Lage ist nachweislich der Bereich der Ausleitung der Freiburger Bächle
aus dem Gewerbekanal in der heutigen Kartäuserstraße gemeint, denn „Ritters Badestube" lag
bi Cunzen des Graven-Müllers seligen müli.14 Die Grafenmühle wiederum lag auf dem Platz
der heutigen Kartäuserstraße 15.75
Der größte Teil des Gebietes zwischen heutigem KG IV und Schwabentor war bereits im 13.
Jahrhundert ummauert worden und hatte 1303, als niiwe Vorstatt vor dem Norsinger tor, die
Stadtrechte der Altstadt erhalten. Später wurde sie Schneckenvorstadt, nach dem Gasthaus „zum
Schnecken" in der heutigen Adelhauserstraße, genannt. Im östlichen Teil, vor dem Schwabentor
, befand sich eine Ministerialensiedlung, die rechtlich den Grafen von Freiburg unterstand.76
Anhand dieser Nachweise ist davon auszugehen, dass sich diese „niedere Wiehre" ursprünglich
über das gesamte Nordufer der Dreisam zwischen der unteren Kartäuserstraße und dem
heutigen KG IV erstreckte, denn zu der Zeit, als die Urkunden über die Mühle der Johanniter
und über „Ritters Badestube" verfasst wurden, waren bereits andere Ortsbezeichnungen für das
Nordufer typisch. So wurden Grafenhof und Grafenmühle in der Regel als „unter der Burg"
beschrieben,77 die Schneckenvorstadt zwischen Schwaben- und Martinstor wurde „Vorstadt"
oder „Au" genannt78, und der westliche Bereich um das heutige KG IV als „niedere Au"79 oder
eben als „Paradies" bezeichnet. Wie auch auf dem Südufer, so verlief die Abfolge von „ober"
zu „nieder" in Ost-West-Richtung.
Aus vielen Urkunden Freiburgs ist bekannt, dass man es bei der Verwendung derartig gebildeter
Ortsbezeichnungen immer mit einem Begriffspaar zu tun hat, das keine rechtliche oder
politische Hierarchie, sondern topografische Gegebenheiten zum Ausdruck brachte. Ein Bezug
des Nordufers zur Wiehre konnte neben dem Burgwerft bislang nur über diese beiden
Urkunden nachgewiesen werden. Das lässt darauf schließen, dass die Formulierungen ursprünglich
aus älteren Vorlagen stammten und in neuere Urkunden wörtlich übernommen wurden
. Ein Vorgang, der nicht ungewöhnlich war und auch in anderen Zusammenhängen des
Öfteren vorkam.80
sen Namen erhalten. Die Amtliehe Kreisbeschreibung (wie Anm. 26). S. 1035. ist hierbei zu korrigieren, da dort
diese Urkunde (UHS I, S. 8f.. Nr. 20) ausgerechnet als Beleg für die „niedere Wiehre" auf dem Südufer der
Dreisam herangezogen wurde.
72 Armand Baeriswyl spricht sich mit Matthias Untermann für eine Lage dieser Kirche im Bereich der Moltke-
straße aus, Baeriswyl (wie Anm. 10), S. 101.
" GLA, 21/71, 1321 Juni 30.
74 FUB III. S. 362, Nr. 482. Hier muss ich meine früheren eigenen Angaben zu „Ritters Badestube" korrigieren,
die ich in der Wiehre auf dem Südufer der Dreisam gesehen hatte. Himmelsbach (wie Anm. 68), S. 109.
75 Für die ausführlichen und eindeutigen Nachweise zur Grafenmühle (Kartäuserstraße 15) siehe Hans Schadek:
Bürger und Kommune. Die sozial- und verfassungsgeschichtliche Entwicklung Freiburgs von der Gründung bis
in die Zeit um 1250. In: Freiburg 1091 -1120 (wie Anm. 9), S. 231 -267, hier S. 260ff.
™ UBFI, S. 166f., Nr. 66.
77 FUB III, S. 140, Nr. 194 und S. 168, Nr. 219.
™ Vgl. FUB I, S. 384, Nr. 367.
79 UHS I, S. 46, Nr. 114.
x<) Zum Beispiel im Zusammenhang mit Pachtverträgen bei Badestuben. Vgl. Himmelsbach (wie Anm. 68), S. 82
(„Klingelhut-Badestube") und S. 1 17 („Ederlins Badestube").
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