http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0031
Im Süden wurde ein schmales, zweigeschossiges Gebäude errichtet. Dabei wurde die Giebelwand
des West-Baus genutzt und der um mehr als 3 m höhere Giebel des Neubaus aufgesetzt
(Abb. 4).11 Die Länge des Hauses ist unbekannt. Möglicherweise zog es sich bis zu
einem Gebäude an der Präsenzgasse hin. Diese Situation ist allerdings erst für das frühe 18.
Jahrhundert gesichert (Abb. 11). Auch dieses Anwesen diente wohl als Nebengebäude eines
heute verschwundenen Vorderhauses.
Der Giebel wird zum Platz gedreht - Umbau nach 1387
Der Beschluss zum Neubau des Münsterchores 1354 führte nicht nur zu einem großartigen
spätgotischen Kirchenraum, sondern auch zu einschneidenden Veränderungen im Umfeld des
Münsters: Der fünfmal so lange Chor reichte nun bis in die privaten Grundstücke am Rande
des Kirchhofs. Außerdem entstanden neue Gassen und Freiflächen, um Münster und Kirchhof
besser zu erschließen und den Baubetrieb zu beschleunigen. So wurde Mitte des 14. Jahrhunderts
die auf das südliche Hauptportal zulaufende Buttergasse eingebrochen. Noch vor 1376
wurde an der Gasse das Haus „zum Schönen Eck" (Wentzingerhaus. Münsterplatz 30) auf
einem ehemaligen Hinterhof errichtet.12 Ebenfalls im 14. Jahrhundert riss man die Bebauung
im Südwesten des heutigen Münsterplatz ab.13 Damit verschwand das Vorderhaus des West-
Baus und das ehemalige Hinterhaus rückte gleichsam aus der zweiten Reihe an den neu entstandenen
Platz. Seine Fassade war nun von weitem sichtbar. Als Reaktion auf diese Veränderungen
wurde das Haus nach 1387 aufgewertet: Es wurde auf zwei Etagen aufgestockt und erhielt
einen Giebel zum neu entstandenen Platz. Von dieser Fassade scheinen sich nur noch im
Erdgeschoss Reste erhalten zu haben: Die Spitzbogenöffnung könnte der Rest der ehemaligen
Tür sein (Abb. 6). Das Bruchsteinmauerwerk darüber endet mit einer waagerechten Kante. Lag
hier vielleicht die Schwelle einer Fachwerkwand - waren also das Obergeschoss und der Giebel
des Hauses nicht aus Stein, sondern aus Holz errichtet worden? Das würde die geringen
Spuren erklären, die sich von dieser Fassade fanden. Beispiele für Häuser mit steinernem
Sockelgeschoss, seitlichen Brandmauern und Fachwerk-Obergeschossen kommen am Oberrhein
vielfach vor.
Die annähernd quadratische Grundfläche des Baus wurde beibehalten. Die alte Balkenlage
über dem Erdgeschoss wurde vermutlich weiter benutzt. Das Wackenpflaster dieses Geschosses
lag nun auf dem Niveau des aufgeschütteten Münsterplatzes.14
Höher, länger, moderner - der weitgehende Neubau von 1435
Der West-Bau wurde 1435 wesentlich vergrößert,15 indem man einen Teil der rückseitig angrenzenden
Parzelle (Herrenstraße 34) in den neuen, mehr als doppelt so tiefen Baukörper
11 Seine Traufenhöhe beträgt ca. 6,70 m, die Giebelspitze dürfte 3,60 m höher gelegen haben. Geht man von
einem symmetrischen Giebel aus, war das Haus ca. 6,40 m breit.
12 Frank Lübbecke: Das Haus „Zum schönen Eck" vorWentzinger. Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Baugeschichte
des Hauses und seiner Umgebung. In: Das Haus „Zum Schönen Eck" in Freiburg i.Br. von Johann
Christian Wentzinger (1710-1797). Dokumentation der bauhistorischen Untersuchungen. Konservierung. Restaurierung
und Umnutzung 1989-1993. Hg. von Sebastian Bock und Lothar A. Böhler. Freiburg 1996, S.
11- 20. hierS. 13f.
13 In der Kellerverfüllung der abgerissenen Bauten fand sich Keramik des 14. Jahrhunderts. Burgmaier (wie
Anm.8), S. 19.
'4 278,05 m NN.
15 Diese Bauphase ist sehr gut durch zehn dendrochronologische Proben zu bestimmen. Die Balkenlagen über dem
östlichen Teil des Erd- und ersten Obergeschosses wurden spätestens 1435 eingebaut, King (wie Anm. 4), D
12- 14a, D 25-29. Ein einzelner Balken über dem westlichen Erdgeschoss datiert ebenso, ebd., D 22. Auch das
Holz des Nischensturzes über dem rundbogigen Doppelfenster im Ostgiebel wurde nach 1428 geschlagen, also
vermutlich auch 1435 verbaut, ebd., D 7.
31
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0031